Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
a) Überlassungshöchstdauer im Wandel der Zeit
Rz. 64
Die zulässige Dauer einer erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung unterliegt einem stetigen Wandel. Bei Inkrafttreten des AÜG am 12.10.1972 galt eine Überlassungshöchstdauer von drei Monaten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a.F. war die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Verleiher dem Entleiher Leiharbeitnehmer länger als drei aufeinanderfolgende Monate überließ, wobei der Zeitraum einer unmittelbar vorangehenden Überlassung durch einen anderen Verleiher an denselben Entleiher anzurechnen war. Im Zuge der Beschäftigungsförderungspolitik in den 1980er und 1990er Jahren wurde die Überlassungshöchstdauer sodann sukzessive auf sechs, neun, zwölf und zuletzt 24 Monate verlängert. Schließlich wurde die Überlassungshöchstdauer infolge der "Hartz-Gesetze" mit Wirkung zum 1.1.2003 wieder aufgehoben.
Rz. 65
Flankiert wurde die Überlassungshöchstdauer durch § 1 Abs. 2 AÜG a.F., nach dem vermutet wurde, dass der Verleiher bei einer Überschreitung der jeweils geltenden Überlassungshöchstdauer Arbeitsvermittlung betrieb. Diese gesetzliche Vermutung einer Arbeitsvermittlung war für den Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nicht widerlegbar. Demgegenüber konnte die Vermutung der Arbeitsvermittlung bei einer nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung widerlegt werden, wenn der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses trotz Überschreitung der Überlassungshöchstdauer weiterhin im Verhältnis zum überlassenden Arbeitgeber lag.
Rz. 66
Die arbeitsrechtlichen Folgen einer gemäß § 1 Abs. 2 AÜG a.F. vermuteten unerlaubten Arbeitsvermittlung waren bis zum 31.3.1997 in § 13 AÜG a.F. geregelt. Diese Vorschrift bestimmte, dass bei einem Arbeitsverhältnis, das auf einer unerlaubten Arbeitsvermittlung beruhte, die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnisses nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden konnten. Hieraus leitete die Rechtsprechung ab, dass bei einer als unerlaubte Arbeitsvermittlung anzusehenden Überlassung ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert werde, wobei sich die Modalitäten dieses fingierten Arbeitsverhältnisses in analoger Anwendung von § 10 Abs. 1 AÜG bestimmen sollten. Die Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher führte indes – anders als bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG – nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher. Das Arbeitsverhältnis zum Verleiher bestand neben dem gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnis zum Entleiher fort (sog. Doppelarbeitsverhältnis). Mit der Aufhebung von § 13 AÜG a.F. mit Wirkung zum 1.4.1997 entfiel die gesetzliche Grundlage für die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei Überschreiten der Überlassungshöchstdauer. Demgemäß ging die Rechtsprechung fortan davon aus, dass bei einer Überschreitung der Überlassungshöchstdauer nach dem 31.3.1997 kein zusätzliches Arbeitsverhältnis zum Entleiher mehr fingiert werde.
b) Beschränkung auf "vorübergehende" Überlassungen
Rz. 67
Im Zuge der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG ("Leiharbeitsrichtlinie") wurde das AÜG mit Wirkung zum 1.12.2011 ein weiteres Mal grundlegend geändert. Im Hinblick auf die Überlassungsdauer fügte der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG eine Regelung ein, wonach die Überlassung von Leiharbeitnehmern "vorübergehend" erfolgt. Hiermit sollte klargestellt werden, dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung den europäischen Vorgaben in Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 lit. e der Leiharbeitsrichtlinie entspricht. Auf eine bestimmte Überlassungshöchstdauer hat der Gesetzgeber im Sinne einer flexiblen Regelung seinerzeit bewusst verzichtet.
Rz. 68
Nach Art. 1 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie findet die Richtlinie auf Arbeitsverhältnisse Anwendung, bei denen der Leiharbeitnehmer von seinem Arbeitgeber dem Entleiher zur Verfügung gestellt wird, um...