Die Formulierung von § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG ist durch die "Und-"Verknüpfungen zwischen der Offenlegungs- und der Konkretisierungspflicht so zu verstehen, dass sowohl § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG als auch § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG verletzt sein müssen, um auf der Rechtsfolgenseite die Unwirksamkeit des zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrages auszulösen. Ansonsten hätte der Gesetzgeber dies durch eine "Oder"-Verbindung der beiden Verpflichtungen eindeutig formulieren können und müssen, zumal dieser in den Ordnungswidrigkeitstatbeständen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1c, 1d AÜG zu erkennen gibt, dass er in diesem Fall auch die singuläre Verletzung einer der Pflichten zu ahnden gedenkt. Die Missachtung der Offenlegungs- oder der Konkretisierungspflicht ist für die Begründung der Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages folglich nicht ausreichend. Bestätigt wird dieser Befund durch die Gesetzesbegründung, in der immer kumulativ an die Verletzung von § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG angeknüpft wird. Dies bedeutet, dass die Verletzung nur der Offenlegungspflicht bei gleichzeitiger Erfüllung der Konkretisierungspflicht genauso wenig wie der umgekehrte Fall ausreichend ist, um die Unwirksamkeit des zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrages zu begründen. Gleiches gilt im Übrigen, wenn nicht formgerecht offengelegt und/oder konkretisiert werden sollte. Der Entleiher und der Verleiher haben in diesem Fall den Normbefehl verstanden und sich (ausdrücklich) zur Durchführung einer Arbeitnehmerüberlassung in den maßgeblichen Unterlagen bekannt – nur nicht in der "richtigen" Form. Insoweit ist es unangemessen, die einschneidenden Rechtsfolgen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a, § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG auf Fälle zu erstrecken, in denen sich die Rechtsanwender ausdrücklich den gesetzlichen Verpflichtungen unterworfen und dabei ggf. nur formal gegen einzuhaltende Formvorschriften verstoßen haben.
Diese Ansicht ist jedoch bislang nicht von der Rechtsprechung bestätigt worden und in der Literatur umstritten. Die BA scheint davon auszugehen, dass bereits der singulare Verstoß gegen die Offenlegungs- oder die Konkretisierungspflicht zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer führt. In den FW AÜG heißt es dazu wörtlich:
Zitat
"§ 1 Abs. 1 S. 5 und 6 bestimmen das Pflichtenprogramm, welches vor Einsatz des Leiharbeitnehmers zu erfüllen ist. So ist der Vertrag zwischen Ver- und Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu bezeichnen und die Leiharbeitskraft zu konkretisieren. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a sind Arbeitsverträge mit Leiharbeitskräften unwirksam, wenn dieses Pflichtenprogramm nicht vollständig erfüllt ist."
Das gesetzliche "Pflichtenprogramm", bestehend aus § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG, ist allerdings bereits bei einem Verstoß gegen die Offenlegungs- oder die Konkretisierungspflicht "nicht vollständig" erfüllt und nicht erst, wenn die genannten Pflichten kumulativ verletzt werden.