Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 48
Die Vorschrift betrifft solche Konstellationen, bei denen die Arbeitsaufgaben eines Tarifbeschäftigten von einem Arbeitgeber zu einem anderen Arbeitgeber verlagert werden und der Beschäftigte unter Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber dem neuen Aufgabenträger zwecks Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt wird. Vorausgesetzt wird von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG, dass diese Konstellation – also die Erbringung der Tätigkeit bei einem anderen als dem Vertragsarbeitgeber nach Übertragung der Aufgaben des Arbeitnehmers dorthin – durch einen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes geregelt ist. Insbesondere die tarifliche Personalgestellung im Zusammenhang mit Aufgabenverlagerungen soll hierdurch umfassend ermöglicht und Rechtsunsicherheiten insoweit ausgeräumt werden.
Rz. 49
Praxishinweis
Als Musterbeispiel für den Anwendungsbereich nennt die Gesetzesbegründung ausdrücklich § 4 Abs. 3 TVöD, der folgenden Wortlaut hat:
Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei einem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). § 613a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.
Eine inhaltsgleiche Tarifvorschrift findet sich in § 4 Abs. 3 TV-L. Die tariflichen Vorschriften dienen dem Schutz der Arbeitnehmer bei der Aufgabenverlagerung auf Dritte und bezwecken den Erhalt des "Status quo" an Arbeitsbedingungen beim Stammarbeitgeber. Unter Berücksichtigung der Bereichsausnahme ist damit die tarifliche Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TVöD/TV-L nicht als Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG anzusehen. Anwendbar ist § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG auch auf sonstige Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, soweit diese entsprechende Regelungen vorsehen. Dazu dürften auch von einem öffentlich-rechtlichen Rechtsträger abgeschlossene Haus- oder Spartentarifverträge wie der TV-Ärzte VKA/TdL zählen.
Rz. 50
Unerheblich für das Eingreifen von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG ist, ob die Aufgaben dauerhaft oder nur vorübergehend auf den anderen Arbeitgeber verlagert werden. Zwar erwähnt die Gesetzesbegründung ausdrücklich die Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 TVöD als Beispiel, wobei laut der dazugehörigen Protokollerklärung der Tarifparteien diese durch die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses gekennzeichnet ist. Jedoch lässt sich dem Wortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG nicht entnehmen, dass die Personalüberlassung dauerhaft oder endgültig sein muss. Dies wäre auch wertungswidersprüchlich, weil dann die deutlich weiter vom gesetzlichen Leitbild des AÜG entfernte dauerhafte Überlassung privilegiert wäre, während vorübergehende Gestaltungen ggf. der Anwendung des AÜG unterfallen könnten. Folglich lassen sich auch Konstellationen einer vorübergehenden Gestellung oder Abordnung unter § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG fassen, sofern diese jeweils im Zusammenhang mit einer Aufgabenverlagerung auf der Grundlage eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes erfolgt. Auf bloße Versetzungen (also die Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes innerhalb desselben Rechtsträgers) findet die Vorschrift hingegen keine Anwendung; hier kommt auch die Anwendung des AÜG nicht in Betracht.
Rz. 51
Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG findet die Bereichsausnahme Anwendung, wenn "Aufgaben eines Arbeitnehmers" zu einem anderen Arbeitgeber verlagert werden. Insofern stellt sich die Frage, ob die von dem Beschäftigten wahrgenommenen Aufgaben mit den verlagerten Aufgaben vollkommen deckungsgleich sein müssen. Zu § 4 Abs. 3 TVöD wird vertreten, dass sich die bisher beim Arbeitgeber zu verrichtenden Aufgaben mit den verlagerten und nunmehr durch den Beschäftigten bei dem neuen Aufgabenträger zu verrichtenden Aufgaben in ihrem wesentlichen Charakter decken müssen. Daraus folgt richtigerweise allerdings nicht, dass die dienstlichen Aufgaben infolge der Verlagerung für den Beschäftigten unverändert bleiben müssen. Dies dürfte auf das Verständnis von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG übertragbar sein, zumal der Gesetzgeber, wie geschildert, bei der Einführung der Norm das Beispiel des TVöD vor Augen hatte. Zu eng erscheint die Auffassung, dass § 4 Abs. 3 TVöD nicht einschlägig sein soll, wenn der Beschäftigte neben den übergeleiteten Aufgaben auch originäre Aufgaben des Dritten übernimmt. Entsprechendes dürfte auch für die Bereichsausnahme des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG gelten. Denn zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber neben der funktionalen Erleichterung von Aufgabenverlagerungen bei Umstrukturierungsvorhaben der öffentlichen Hand auch das Bestandsschutzinteresse der von der Aufgabenverlagerung betroffenen Arbeitnehmer im Blick hatte. Diese Zielsetzungen könnten erheblich beeinträchtigt werden, wenn bereits die Wahrnehmung eines weiteren Aufgabenanteils, der nicht von dem bisherigen Arbeitge...