Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 164
Zwar haben Leiharbeitseinsätze, welche tatsächlich auf Basis des Equal Treatment Grundsatzes abgewickelt werden, in der Praxis Seltenheitswert. Die Entscheidung des BAG aus Dezember 2010, mit welcher die fehlende Tariffähigkeit der "Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Leiharbeit und Personalservice-Agenturen (CGZP)" festgestellt wurde, hat jedoch zu einer Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen zu dieser Thematik geführt. Als Konsequenz der Unwirksamkeit der entsprechenden Tarifverträge der CGZP hatten die betroffenen Leiharbeitnehmer gegen ihre Arbeitgeber rückwirkend einen Anspruch auf Vergütung nach dem entsprechenden Equal Treatment Grundsatz.
Rz. 165
Bezogen auf das Arbeitsentgelt lautet die in diesem Zusammenhang stets wiederholte – wenngleich noch nicht sehr praxistaugliche – Aussage des BAG, dass der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG a.F. national zu bestimmen und weit auszulegen sei. Hierunter falle nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt werde bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden müsse. Konkret entschieden wurde sodann beispielsweise, dass ein 13. Monatsgehalt, tarifliche Sonderzahlungen, Urlaubsvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und an Feiertagen Bestandteil des Equal Treatment sind.
Rz. 166
Vergütet der Entleiher zudem seine eigenen Arbeitnehmer auf Basis eines monatlichen Gehaltes, so richtet sich der Equal Treatment Anspruch ebenfalls auf eine Gehaltszahlung. Eine Umrechnung in einen Stundenlohn ist nicht zulässig. Liegt die vereinbarte Arbeitszeit des Leiharbeitnehmers über der für die Stammarbeitnehmer geltenden Arbeitszeit, so sind die zusätzlich erbrachten Stunden als Mehrarbeit entsprechend der beim Entleiher geltenden Regelungen zu vergüten.
Rz. 167
Das BAG differenziert zudem zwischen "Arbeitsbedingungen" und "Vertragsbedingungen". Diese Unterscheidung wurde im Zusammenhang mit der Frage, ob Ausschlussfristen des Entleihers bei einem Einsatz unter Anwendung des Equal Treatment Grundsatzes ebenfalls übernommen werden müssten, eingeführt. Dies verneinte das BAG. Zum einen spreche der Wortlaut des Gesetzes davon, dass Arbeitsbedingungen "gewährt" werden müssten. Hieran werde deutlich, dass nur Leistungen des Arbeitgebers erfasst sein sollten. Eine Ausschlussfrist sei demgegenüber keine Leistung. Besonderes Gewicht legte das BAG jedoch auf den Begriff der "Arbeitsbedingung". Arbeitsbedingungen bezeichnen nach Ansicht des BAG solche Bedingungen, die im Verhältnis des Entleihers zu seinen Stammarbeitnehmern gelten. Demgegenüber seien Vertragsbedingungen die Regelungen im Verhältnis des Verleihers zum Leiharbeitnehmer.
Informativ sind diese Aussagen des BAG insbesondere deshalb, da das BAG aus seinen Ausführungen die Konsequenz zieht, dass für die Bestimmung des Inhalts eines Equal Treatment Anspruchs nicht auf die Aufzählung des Nachweisgesetzes zurückgegriffen werden könne. Dort seien lediglich die Vertragsbedingungen im Verhältnis vom Verleiher zum Leiharbeitnehmer aufgezählt. Da sich der Equal Treatment-Anspruch jedoch auf die Arbeitsbedingungen beziehe, sei eine Anknüpfung nicht möglich.
Rz. 168
Grundsätzlich kann eine Verpflichtung zur Gewährung von Equal Treatment nicht dazu führen, dass das arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich zugesagte Niveau der Arbeitsbedingungen abgesenkt wird. Eine Gleichbehandlung zum Nachteil des Leiharbeitnehmers kommt nicht in Betracht. Fraglich ist somit, auf welchem Maßstab der Günstigkeitsvergleich durchzuführen ist und ob "unterm Strich" günstigere Arbeitsbedingungen des Verleihers es rechtfertigen können, dass der Leiharbeitnehmer in einzelnen Bereichen auch weniger günstig gestellt ist, als die vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers.
Rz. 169
Das BAG hat in einer Entscheidung aus 2011 ausgeführt, dass ein "Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen" sei. In den Gesamtvergleich seien in dem entschiedenen Fall auch sämtliche Sonderzahlungen, Prämien und gar Mietzuschüsse einzustellen. Indes sind nur solche Vergütungszahlungen zu berücksichtigen, die in dem Equal Pay Zeitraum entstanden sind; schon vorher entstandene, aber erst im Equal Pay Zeitraum fällig werdende Zahlungen sind in die Vergleichsbetrachtung nicht einzubeziehen. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung auf Nachzahlungen des Verleihers für abgeschlossene Zeiträume aus der Vergangenheit bezog. Die Übertragung auf laufende Überlassungsverhältnisse erfolgt derzeit nach herrschender Meinung im Wege einer sog. "fortlaufenden Gesamtsaldierung", wobei der Maßstab ist, dass die im Überlassungszeitraum insgesamt gezahlte Vergütung zu keinem Zeitpunkt hinter der im gleichen Zeitraum insgesamt erhaltenen Vergütung des vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers zurückbleiben darf. Dabei darf in einzelnen Monaten die...