Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 90
Für die Überlassungshöchstdauer kommt es nach § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG auf einen ununterbrochenen Einsatz des Leiharbeitnehmers bei demselben Entleiher an ("aufeinander folgende Monate"). Bei einem betriebsbezogenen Verständnis des Entleiherbegriffs spricht viel dafür, dass im Falle eines Betriebs(teil)übergangs nach § 613a BGB der Lauf der Überlassungshöchstdauer jedenfalls dann nicht unterbrochen wird, wenn der Betriebs(teil)erwerber den Einsatz des Leiharbeitnehmers fortsetzt und den erworbenen Betrieb(steil) als betriebsverfassungsrechtlich selbstständige Einheit fortführt. Etwas anderes dürfte hingegen gelten, wenn infolge organisatorischer Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Inhaberwechsel die betriebsverfassungsrechtliche Identität des übertragenen Betriebs(teils) verloren geht, z.B. weil der übernommene Betrieb(steil) derart in einen bereits vorhandenen Erwerberbetrieb organisatorisch eingegliedert wird, dass er in diesem aufgeht, oder er mit einem solchen Betrieb organisatorisch zu einem neuen Betrieb zusammengefasst wird. In derartigen Fällen handelt es sich nicht mehr um denselben Entleiherbetrieb, sodass die Überlassungshöchstdauer von Neuem zu laufen beginnen dürfte. Entsteht durch die organisatorische Maßnahme ein neuer Betrieb, ließe sich auch vertreten, dass für die bislang beim Erwerber eingesetzten Leiharbeitnehmer die Überlassungshöchstdauer neu zu laufen begönne. Mangels einer ausdrücklichen Regelung wäre es für den Erwerber jedoch angesichts der Folgen eines Verstoßes gegen die Überlassungshöchstdauer bis zu einer höchstrichterlichen Klärung mit erheblichen Rechtsrisiken verbunden, sich auf einen derartigen Standpunkt zustellen.
Rz. 91
Die Überlassungshöchstdauer beginnt mit dem Zeitpunkt der Überlassung zu laufen. Dieser ist rein tatsächlich zu verstehen, wie sich auch aus § 1 Abs. 1b S. 1 Hs. 2 AÜG ergibt, der auf Entleiherseite auf das "tätig werden lassen" abstellt. Sofern die Bundesagentur für Arbeit und ihre folgend Teile der Literatur die Ansicht vertreten, es komme auf den festgelegten Arbeitseinsatz im Überlassungsvertrag und nicht auf den tatsächlichen Einsatzbeginn an, findet diese Auffassung im Gesetz keine Stütze. Der im Überlassungsvertrag festgelegte Überlassungszeitraum kann hiernach nur dann maßgeblich sein, wenn er mit dem tatsächlichen Einsatzbeginn bzw. -ende übereinstimmt.
Rz. 92
Beispiel
Der Verleiher V und das Unternehmen U schließen einen Überlassungsvertrag über den Einsatz des Leiharbeitnehmers L für Januar bis einschließlich Juni des Folgejahres. Da in den ersten beiden Monaten kein Beschäftigungsbedarf besteht, wird L nicht bei U tätig. Stattdessen wird die ursprünglich vorgesehene Überlassungsdauer um zwei Monate verlängert. Ein Verstoß gegen die gesetzliche Überlassungshöchstdauer liegt hierin nicht. Zwar besteht der Überlassungsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher für einen Zeitraum von 20 Monaten, L wird jedoch nur für 18 Monate überlassen.
Rz. 93
Für die Fristberechnung gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Der Fristbeginn bestimmt sich nach § 187 Abs. 2 BGB. Hiernach ist der erste Arbeitstag des Leiharbeitnehmers mitzuzählen. Noch nicht abschließend geklärt ist, wann die Überlassungshöchstdauer endet. Nach der herrschenden Meinung handelt es sich um eine zusammenhängende Frist ("aufeinander folgende Monate"), sodass die Frist nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des achtzehnten Monats endet, welcher dem Tag vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Frist an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag endet. § 193 BGB findet nach der überwiegenden Meinung keine Anwendung, weil weder eine Willenserklärung abzugeben noch eine Leistung innerhalb der Frist zu bewirken ist. Fehlt bei einem Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist nach § 188 Abs. 3 BGB mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Teilweise wird die Überlassungshöchstdauer aufgrund der etwaigen Anrechnung von Vorüberlassungszeiten indes auch als Frist im Sinne des § 191 BGB verstanden. In diesem Fall würden für einen Monat 30 Tage angesetzt, sodass die Überlassungshöchstdauer 540 Tage betragen würde. Gegen eine Anwendbarkeit von § 191 BGB spricht jedoch, dass es sich bei der Überlassungshöchstdauer um einen zusammenhängenden Zeitraum handelt, § 191 BGB jedoch einen nicht zusammenhängenden Fristlauf voraussetzt.
Praxishinweis
Da die beiden Berechnungsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, erscheint es bis zu einer abschließenden Klärung dieser Frage ratsam, die im konkreten Fall vorsichtigere Berechnungsalternative zu wählen.
Rz. 94
An wie vielen Tagen der Leiharbeitnehmer in der Woche arbeitet, spielt für die Frage der Berechnung der Überlassungshöchstdauer grundsätzlich keine Rolle, wenn es sich um eine einheitliche Überlassung handelt. In diesen Fällen liegt keine Unterbrechung der Überlassun...