Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 27
§ 1 Abs. 1 AÜG wurde durch die Reform grundlegend neugefasst:
Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist vorübergehend bis zu einer Überlassungshöchstdauer nach Absatz 1b zulässig. Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.
Unverändert wird in § 1 Abs. S. 1 AÜG die Erlaubnispflicht geregelt. Der Klammerzusatz "Arbeitnehmerüberlassung" hebt die bereits festgeschriebene Definition der Arbeitnehmerüberlassung lediglich hervor. Eine Veränderung des bisherigen Anwendungsbereichs des AÜG oder der Reichweite der Erlaubnispflicht trat hierdurch nicht ein. Die weiteren Sätze 2 bis 6 wurden hingegen vollständig neugefasst.
§ 1 Abs. 1 AÜG regelt neben der Erlaubnispflicht
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in Satz 2 den Begriff des Leiharbeitnehmers (dazu Rdn 28 f.) |
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in Satz 3 das Verbot des Kettenverleihs (dazu unter Rdn 32 ff.) |
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in Satz 4 den Verweis auf die Höchstüberlassungsdauer des Abs. 1b (dazu unter Rdn 64 ff.) sowie |
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in den Sätzen 4 und 5 die 2017 eingeführte neue Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflicht (dazu unter Rdn 202 ff.) |
I. Arbeitnehmerüberlassung und Begriff des Leiharbeitnehmers
1. Legaldefinition
Rz. 28
Neben der Kodifizierung des Begriffs des Arbeitnehmers in § 611a BGB wurde in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG der Begriff des Leiharbeitnehmers festgeschrieben:
Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen.
Nach der Gesetzesbegründung sollte mit der neuen Legaldefinition des Leiharbeitnehmers lediglich die bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen dem Einsatz eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer und dem Einsatz als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Werk- bzw. Dienstvertrages kodifiziert werden. Bedauerlicherweise wurden die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze aber auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht exakt übernommen.
Nach der bisherigen BAG-Rechtsprechung liegt Arbeitnehmerüberlassung nämlich vor,
Zitat
"wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb (voll) eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen."
Entgegen teilweiser im Rahmen der Reform geäußerter Auffassung führte die Nichtaufnahme der Begriffe "voll" und "allein" aber zu keiner Verschiebung der Grenzziehung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und anderweitigem Drittpersonaleinsatz (hierzu bereits ausführlich unter § 3 Rdn 20). Unabhängig von dem klar verfehlten Ziel der Schaffung von mehr Rechtssicherheit für die Praxis, bleiben damit die Rechtsprechungsgrundsätze anwendbar.
2. Gleichbleibende Beweislast
Rz. 29
Der neuen Legaldefinition sowie § 611a BGB wurden – entgegen anderer Vorschläge – keine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast zugefügt. Weiterhin muss der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen, die eine Würdigung rechtfertigen, wonach der Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen ist. Es ist dann Aufgabe des "Entleihers", die Tatsachen darzulegen, die dagegensprechen. Er genügt seiner Darlegungslast, wenn er die eine werkvertragliche Vereinbarung begründenden Tatsachen vorträgt. In diesem Fall ist es nunmehr Sache des Arbeitnehmers, die Kenntnis der auf Seiten der beteiligten Arbeitgeber handelnden und zum Vertragsabschluss berechtigten Personen von der tatsächlichen Vertragsdurchführung vorzutragen.
3. Unionsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AÜG
Rz. 30
Das BAG hat mit Beschluss v. 21.2.2017 die Gestellung von Mitgliedern der DRK-Schwesternschaft an eine private Klinik als Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG qualifiziert. Das Urteil ist Folge der vorhergehenden Entscheidung des EuGH, den Leiharbeitnehmerbegriff der RL 2008/104/E...