Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 212
Ergänzend zu der Offenlegungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG wurde mit Wirkung zum 1.4.2017 eine diese flankierende Konkretisierungsverpflichtung in § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG in das Gesetz aufgenommen. Da – laut Gesetzesbegründung – Überlassungsvereinbarungen auch als Rahmenverträge über ein Arbeitskräftekontingent ausgestaltet sein könnten, bestimme § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG, dass die Person des Leiharbeitnehmers vor der Überlassung zu konkretisieren sei. Erforderlich ist also, dass die im Rahmen der vereinbarten Arbeitnehmerüberlassung bei dem Entleiher einzusetzenden Leiharbeitnehmer namentlich zu bezeichnen sind. Dies kann bereits, muss aber nicht im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erfolgen. Eine solche Schlussfolgerung ergibt sich bereits aus der Formulierung von § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG, nach der für die Konkretisierung eine "Bezugnahme" auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erforderlich ist. Abgesehen davon würde ein solches Erfordernis den nach der Gesetzesbegründung weiterhin zulässigen Rahmenarbeitnehmerüberlassungsverträgen den Boden entziehen. Eine nachträglich, also nach dem Beginn der Überlassung, vorgenommene Konkretisierung – ggf. verbunden mit einer Rückdatierung des Vertrages – ist nicht vorgesehen und verletzt folglich § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG. Unschädlich ist es hingegen, wenn die Konkretisierung – wie auch die Offenlegungspflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG – zwar nicht bei Vertragsschluss, aber noch vor dem beginnenden Einsatz und damit vor der Tätigkeitsaufnehme des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher erfolgt.
Rz. 213
Nicht eindeutig geregelt ist, ob die Konkretisierung der Leiharbeitnehmer – wie die Offenlegung nach § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG – unter Beachtung der Schriftform (§ 12 Abs. 1 AÜG, §§ 126, 126a BGB) erfolgen muss. Eine Ansicht im Schrifttum bejaht dies, ohne dies freilich zu begründen. Während in § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG hinsichtlich der Arbeitnehmerüberlassung noch eindeutig verlangt wird, dass diese "in ihrem Vertrag" – gemeint ist hier der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher, der gem. § 12 Abs. 1 AÜG unzweifelhaft der Schriftform unterworfen ist – offenzulegen ist, sieht § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG nur vor, dass die Konkretisierung unter "Bezugnahme auf diesen Vertrag" zu erfolgen hat. Eine solche kann daher – ausgehend vom Wortlaut – grundsätzlich (fern-)mündlich oder in Textform vorgenommen werden. Das schlichte Erscheinen des Leiharbeitnehmers und dessen Arbeitsaufnahme bei dem Entleiher dürfte hingegen nicht ausreichen; es dürfte an einer nach § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG erforderlichen "Bezugnahme" auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag fehlen. Diese Erwägung dürfte insoweit regelmäßig auch gegen eine konkludente Konkretisierung durch den Verleiher selbst sprechen. Die Vorschrift fordert von ihrer Struktur unter Beachtung ihres Schutzzweckes nicht zwingend die Beachtung der Schriftform. Allenfalls die Gesetzesbegründung, in der ein Bezug zu Rahmenverträgen hergestellt wird, in denen naturgemäß die Namen der letztlich konkret zu überlassenden Leiharbeitnehmer noch nicht final genannt sein können, kann einen Anknüpfungspunkt darstellen, für die Konkretisierung gleichermaßen die Schriftform zu verlangen, die auch ein Rahmenvertrag zu beachten hat. Insoweit könnte argumentiert werden, dass der die Namen der zu überlassenden Leiharbeitnehmer konkretisierende Einzelvertrag/-abruf dieselbe Form wahren muss, wie die Vereinbarung, auf der dieser aufsetzt. Zwingend ist dies allerdings nicht, sodass sich überzeugend vertreten lässt, dass die Konkretisierung nach § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG nicht der Schriftform nach § 12 Abs. 1 AÜG unterworfen, sondern dass diese formfrei möglich ist. Dieser Auffassung folgt mit einem differenzierenden Ansatz auch die BA. In deren Fachlichen Weisungen AÜG formuliert diese wie folgt:
Zitat
"Das Schriftformerfordernis des § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG, §§ 126, 126a BGB umfasst den gesamten Überlassungsvertrag einschließlich aller Nebenabreden. Je nachdem, wie Ver- und Entleiher den Überlassungsvertrag im Rahmen der Privatautonomie ausgestalten, kann auch die namentliche Benennung der zu überlassenden Leiharbeitnehmer und damit die Konkretisierung der Schriftform unterliegen. Dies gilt z.B. dann, wenn die Überlassung bestimmter Arbeitnehmer (z.B. besonderer Experten) wesentlicher Inhalt der vertraglichen Abrede ist. Kommt es den Vertragsparteien hingegen nicht darauf an, welche konkreten Personen überlassen werden, können sie ohne Bezug auf die Einzelpersonen die Überlassung von Leiharbeitnehmern mit bestimmten Merkmalen vereinbaren. Der Verleiher ist dann verpflichtet, fachlich geeignete Leiharbeitnehmer zu überlassen. Die Benennung der einzelnen Leiharbeitnehmer stellt dann keine vertragliche Nebenabrede dar. Daher unterliegt die Konkretisierung in diesem Fall nicht der Schriftform des Überlassungsvertrages, hat jedoch in Bezug auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu erfolgen."
Zu Dokumentationszwecken bietet es s...