Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 193
Hinsichtlich der gesetzlich vorgeschriebenen Gleichbehandlung bzw. der Abweichungsmöglichkeiten hiervon, werden nicht tarifgebundenen Verleihern die gleichen Möglichkeiten eingeräumt wie tarifgebundenen Verleihern. Sowohl hinsichtlich der allgemeinen Abweichung vom Equal Treatment Grundsatz durch Tarifvertrag, als auch bezüglich der Anwendung branchenspezifischer Zuschlagstarifverträge zur Abweichung vom Equal Pay Grundsatz nach neun Monaten ist neben einer tarifrechtlichen Bindung an die entsprechenden Tarifverträge ausdrücklich auch eine vertragliche Inbezugnahme ausreichend. Hierdurch wird die bisherige Rechtslage aufrechterhalten. Aufgrund des sehr geringen Organisationsgrades der Leiharbeitnehmer wäre es andernfalls kaum möglich, für eine nennenswerte Anzahl an Arbeitsverhältnissen von der eingeräumten Abweichungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Rz. 194
Dabei ist jedoch zu beachten, dass das BAG in seiner Entscheidung vom 13.3.2013 konkret am Beispiel der Leiharbeitsbranche Anforderungen an die Klarheit entsprechender Inbezugnahmeklauseln aufgestellt hat. So muss dann, wenn ein mehrgliedriges Tarifvertragswerk in Bezug genommen wird, in der Klausel eine Klarstellung erfolgen, welcher der mehreren in Bezug genommenen Tarifverträge im Falle einer Regelungskollision Vorrang genießen soll. Ob die einzelnen mehrgliedrigen Tarifverträge dabei tatsächlich einen abweichenden Inhalt aufweisen, ist unerheblich. Das theoretische Risiko eines abweichenden Inhaltes genügt, um eine Inbezugnahmeklausel ohne entsprechende Kollisionsregelung als unwirksam anzusehen.
Rz. 195
Zu beachten ist zudem, dass die entsprechenden Tarifverträge vollumfänglich in Bezug genommen werden müssen. Es ist also nicht nur unzulässig, lediglich bezüglich der Vergütung auf die Tarifverträge zu verweisen, ohne auch die sonstigen Regelungen bspw. zum Erholungsurlaub, zum Arbeitszeitkonto oder zu den Kündigungsfristen anzuwenden. Vielmehr führt auch jede sonstige, den Leiharbeitnehmer nicht zwingend besserstellende Abweichung von den Bestimmungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags dazu, dass keine wirksame Abweichung vom Equal Treatment Grundsatz gegeben ist. Abweichungen zugunsten der Leiharbeitnehmer sind jedoch selbstverständlich möglich, da durch Tarifverträge jeweils nur Mindestbedingungen vorgegeben sind.
Praxishinweis
Im Zusammenhang mit den Folgen der Tarifunfähigkeit der CGZP hat sich gezeigt, dass es Ratsam ist, sich bezüglich der vereinbarten Ausschlussfristen nicht lediglich auf die im Tarifvertrag enthaltenen Ausschlussfristen zu verlassen, sondern – unabhängig hiervon – einzelvertragliche Ausschlussfristen zu vereinbaren. Andernfalls fällt im Falle einer Unwirksamkeit der angewandten Tarifverträge nicht nur rückwirkend die Möglichkeit weg, von den eigentlich geschuldeten Equal Treatment Arbeitsbedingungen abzuweichen. Gleichzeitig entfiele in diesem Fall die Möglichkeit, etwaigen Entgeltnachforderungen der Leiharbeitnehmer zumindest die Ausschlussfristen entgegen halten zu können.
Bei solchen einzelvertraglichen Ausschlussfristen, welche ausdrücklich unabhängig von den in Bezug genommenen Tarifverträgen wirksam sein müssen, ist darauf zu achten, hinsichtlich keines Aspektes für den Mitarbeiter nachteilig von der tarifvertraglichen Regelung abzuweichen. Andernfalls könnte dies als nicht vollständige Inbezugnahme der tarifvertraglichen Regelungen ausgelegt werden, mit der Folge, dass der Equal Treatment Grundsatz nicht wirksam abbedungen ist.
Werden diese Anforderungen indes beachtet, können etwaige auf den Equal Treatment Grundsatz gestützte Nachforderungen des Leiharbeitnehmers durch Ausschlussfristen abgewehrt werden.