Rz. 47
Die Mängelansprüche ergeben sich aus den jeweiligen Kaufverträgen (und nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum) und stehen deshalb den (werdenden) Miteigentümern zu. Eine Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft ist zwar meistens sinnvoll, aber nicht i.S.v. § 9a Abs. 2 WEG erforderlich, weshalb eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Geltendmachung der Mängelrechte (anstelle der Wohnungseigentümer) nach dem Gesetzeswortlaut nicht besteht. Die nach dem früheren Recht bestehende Möglichkeit, durch Beschluss Ansprüche der Miteigentümer zu vergemeinschaften und dadurch die Wahrnehmungszuständigkeit der Gemeinschaft zu begründen, besteht heute nicht mehr – mit einer Ausnahme, die in der Begründung der WEG-Reform 2020 hervorgehoben wird: "Die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Beschlussfassung bestimmte Mängelrechte ausüben kann, lässt der Entwurf unberührt. Denn diese Rechtsprechung beruht nicht auf dem geltenden § 10 Absatz 6 Satz 3, sondern ist schon zur Rechtslage vor der WEG-Novelle 2007 entwickelt worden." Die Begründung erscheint fragwürdig, denn vor der WEG-Reform 2007 war das dogmatische Fundament der "Vergemeinschaftung von Mängelrechten" brüchig; maßgeblich waren vor allem Praktikabilitätsüberlegungen. Eine dogmatisch haltbare Grundlage erhielt die "Vergemeinschaftungslehre" erst durch § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a.F., also genau durch die jetzt wieder abgeschaffte Vorschrift. Jetzt ist die dogmatische Begründung also wieder so brüchig wie eh und je. Man kann das Ergebnis ggf. damit untermauern, dass man den Beschluss, Mängelrechte gemeinschaftlich geltend zu machen, als einen Umstand ansieht, der die einheitliche Rechtsverfolgung i.S.v. § 9a Abs. 2 Var. 2 WEG erforderlich macht. Wenn die Rechtsprechung nicht eine Kehrtwende vollzieht (womit kaum zu rechnen ist), bleibt somit in Bezug auf die Vergemeinschaftung von Mängelrechten alles beim Alten und wird die bisherige Rechtsprechung weiterhin Geltung beanspruchen.
Rz. 48
Die Gemeinschaft kann (und muss im Regelfall → § 5 Rdn 65) die Durchsetzung der auf die mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Erwerber (Erfüllungs-, Nacherfüllungs- und primäre Mängelrechte) durch Beschluss an sich ziehen. Das kann auch nachträglich erfolgen (wenn die Gemeinschaft bspw. ohne ausreichenden Beschluss einen Prozess gegen den Bauträger begonnen hat). Im Beschlusstext muss nicht ausdrücklich vom "An-sich-ziehen der Mängelrechte" die Rede sein, denn mit dem Beschluss des gemeinschaftlichen Vorgehens gegen den Bauträger werden die Mängelrechte der Miteigentümer jedenfalls konkludent zum Verband gezogen (auch → § 5 Rdn 77). Es ist auch nicht erforderlich zu erwähnen, die Ansprüche welcher Miteigentümer erfasst sein sollen, denn ein Vergemeinschaftungsbeschluss ist bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass sämtliche Ansprüche der Miteigentümer zur Ausübung auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übergeleitet werden sollten, die auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind. Das gilt selbst dann, wenn nur noch ein einziger Miteigentümer anspruchsberechtigt ist; dann erfasst der Beschluss eben nur die Ansprüche dieses einen Eigentümers. Hat der Bauträger den Erwerbern ein unterschiedliches Bausoll versprochen (solche Divergenzen kommen immer wieder einmal vor), kann die Gemeinschaft (wer sonst?) darüber entscheiden, wessen Mängelrechte geltend gemacht werden und welche Ausführung vom Bauträger verlangt wird.
Rz. 49
Die Gemeinschaft kann natürlich nur solche Ansprüche an sich ziehen, die ihren Mitgliedern zustehen. Wenn ein anspruchsberechtigter Ersterwerber die Wohnung verkaufte und dabei seine aus dem Bauträgervertrag resultierenden Mängelrechte nicht an den Zweiterwerber abgetreten haben sollte (was einen Notarfehler darstellen würde), verbleiben die Ansprüche beim Ersterwerber – theoretisch. Praktisch hat die Rspr. hat einen Grundsatz aufgestellt, der zum gegenteiligen Ergebnis führt: Demnach ist regelmäßig zu vermuten, dass die späteren Erwerber von den Ersterwerbern stillschweigend zur Geltendmachung von Mängelrechten ermächtigt wurden. Letztlich kommt es auf diese Fragen fast nie an, denn in einer Gemeinschaft wird sich i.d.R. wenigstens ein Ersterwerber mit den entsprechenden Ansprüchen gegen den Bauträger finden, und mehr braucht die Gemeinschaft für das weitere Vorgehen nicht.
Rz. 50
Im Normalfall ist die Wohnungseigentümergemeinschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr personell identisch mit der ursprünglichen Gemeinschaft der "Ersterwerber"; der eine oder andere Ersterwerber wird seine Wohnung schon weiterverkauft haben. Das ändert an der Beschlusskompetenz für die "Vergemeinschaftung" der Mängelrechte nichts. Außerdem dürfen an der Beschlussfassung alle (werdenden) Miteigentümer teilnehmen, also auch die, die aus bestimmten Gründen (Verjährung, Vergleich, Verzicht oder weil sie nicht-anspr...