Rz. 70
Es ist grundsätzlich sinnvoll, bekannte oder vermutete Mängel sachverständig feststellen zu lassen; und selbst wenn noch keine Mängel bekannt sind, empfiehlt es sich, das Objekt vor Ablauf der Gewährleistungszeit sachverständig untersuchen zu lassen. Hierfür ist im Normalfall die Beauftragung eines (nicht notwendig, aber idealerweise öffentlich bestellten und vereidigten) Sachverständigen als Privatgutachter (d.h. außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens) der richtige Weg. Ein Privatgutachten ist nicht nur eine sinnvolle Grundlage, um Mängelrechte gegen den Bauträger geltend zu machen und später ggf. Beschlüsse zur Mangelbeseitigung zu fassen, sondern ist auch in einem etwaigen nachfolgenden Prozess von Bedeutung: Das Privatgutachten ist qualifizierter Parteivortrag, mit dem sich ein Gericht auch und gerade dann auseinandersetzen muss, wenn ein gerichtlich beauftragter Sachverständiger zu abweichenden Erkenntnissen kommen sollte. Die Dokumentation der Mängel in einem Privatgutachten ist auch nützlich, wenn die Gemeinschaft Mängel beseitigen lassen und anschließend Aufwendungsersatz geltend machen will. Nach der Mangelbeseitigung kann der (im Bestreitensfall vom Gericht unvermeidlich zu beauftragende) Gerichtsgutachter die (ehemaligen) Mängel nur noch auf der Basis einer solchen Dokumentation (ggf. ergänzt mit Zeugenaussagen) beurteilen. Wenn der Privatgutachter Mängel feststellt, muss der Bauträger der Gemeinschaft die für die Begutachtung aufgewandten Kosten als Mangelfolgeschaden (im Prozess also eine selbstständige Schadensposition) erstatten. Das gilt auch dann, wenn nach der Begutachtung noch ein selbstständiges gerichtliches Beweisverfahren durchgeführt wird. Auf der Basis des Sachverständigengutachtens empfiehlt es sich normalerweise, den Bauträger (nochmals) unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung aufzufordern; erst wenn das keinen Erfolg hat, folgen gerichtliche Schritte. Die Einleitung eines gerichtlichen Beweisverfahrens kommt i.d.R. nur dann in Betracht, wenn außergerichtliche Maßnahmen (auf Basis eines Privatgutachtens) nicht zum Erfolg führten. Wenn es aber schon an gerichtliche Schritte geht, ist zu beachten, dass ein Beweisverfahren im Stadium vor der Abnahme nicht sinnvoll ist (zu den Gründen → § 5 Rdn 74). Die Einleitung gerichtlicher Schritte (ob Beweisverfahren oder Klage) ohne vorangegangene privatsachverständige Begutachtung ist generell nur dann sinnvoll, wenn es eilig ist und es auf die dadurch bewirkte Hemmung der Verjährung ankommt. Bei der Einleitung eines Beweisverfahrens können die Mangelbeseitigungskosten und damit der Streitwert i.d.R. nur grob geschätzt werden. Maßgeblich sind Ergebnis die vom Sachverständigen festgestellten Mängelbeseitigungskosten; bei nicht festgestellten Mängeln (die entweder noch nie vorhanden waren oder die nach Einreichung des Beweisantrags beseitigt wurden) sind die "fiktiven Mangelbeseitigungskosten" zu schätzen.