Rz. 11
Gem. § 640 Abs. 1 BGB ist der Besteller (Auftraggeber) eines Werkvertrags verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen; wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Man spricht insoweit von Abnahmereife. Ein Mangel ist dann unwesentlich bzw. das Werk ohne wesentliche Mängel, wenn dem Besteller zugemutet werden kann, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung zu akzeptieren und sich mit den Mängelrechten nach § 634 BGB zu begnügen. Dabei sind sämtliche Umstände gegeneinander abzuwägen, insbesondere Art und Umfang des Mangels sowie die Auswirkungen im konkreten Einzelfall unter Abwägung der Interessen beider Parteien. Im Falle einer unberechtigten Abnahmeverweigerung kann der Bauträger – wenn der Bauträgervertrag nach dem 31.12.2017 abgeschlossen wurde – gem. § 650u Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 650g Abs. 1 BGB verlangen, dass ein Erwerber an einer Feststellung des Zustands des Vertragsgegenstands mitwirkt, wodurch ein Streit darüber, wer später festgestellte Mängel verursacht hat, vermieden werden soll; praktische Relevanz hat diese Regelung nicht. Die Abnahme ist auch beim Bauträgervertrag eine Pflicht (und zugleich ein Recht) der Erwerber. Prinzipiell besteht sie aus zwei Bestandteilen: Der Übergabe des Werkes (objektives Kriterium) und der Abnahmeerklärung des Erwerbers (subjektives Kriterium). Die Abnahme hat wichtige Rechtsfolgen:
Beginn der 5-jährigen Verjährungsfrist für Mängelansprüche (§ 634a Abs. 2 BGB).
Beweislastumkehr. Vor der Abnahme hat der Bauträger die Mangelfreiheit seines Werkes zu beweisen, danach muss der Erwerber etwaige Mängel beweisen. Diese Beweislastverteilung wirkt sich für den Erwerber sowohl im Passivprozess (wenn er sich gegenüber einer Zahlungsklage des Bauträgers auf Mängel beruft) günstig aus, als auch im Aktivprozess, wenn der Erwerber (oder die Gemeinschaft) Mängelrechte im Stadium vor der Abnahme geltend macht (→ § 5 Rdn 74).
Die Gefahrtragung geht auf den Erwerber über (§ 644 BGB).
Fälligkeit der Vergütung (§ 641 BGB → § 5 Rdn 8).
Verlust der Mängelrechte gem. § 640 Abs. 3 BGB in Bezug auf die bei Abnahme bekannten Mängel, wenn die Rechte bei der Abnahme nicht vorbehalten wurden (→ § 5 Rdn 27).
Rz. 12
Das nach dem Bauträgervertrag geschuldete "vertragsmäßig hergestellte Werk" i.S.v. § 640 Abs. 1 BGB ist die gesamte Wohnanlage. Vor deren vollständiger Herstellung ist der Erwerber im Grundsatz nicht zur Abnahme verpflichtet, auch nicht zu einer Teilabnahme. Eine vorgezogene Teilabnahme des Sondereigentums (gemeint ist damit meistens das Sondereigentum und die im räumlichen Bereich einer Wohnung befindlichen Teile des Gemeinschaftseigentums) ist aber zulässig und üblich. Verpflichtet ist der Erwerber zu einer solchen Teilabnahme aber nur, wenn dies im Bauträgervertrag so vereinbart wurde. Wenn die Teilabnahme des Sondereigentums vereinbart wurde, ist hierfür – selbstverständlich – jeder Erwerber einzeln zuständig.
Rz. 13
Meistens ist der Bauträger an einer frühen Übergabe der Wohnung interessiert: Zum einen hat er i.d.R. einen bestimmten Termin der Bezugsfertigkeit zugesichert, den er einhalten will, um sich nicht wegen Verzugs schadensersatzpflichtig zu machen; zum anderen geht es ihm um die "nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe" fällig werdende Rate seiner Vergütung (i.d.R. 12 %). Wenn Mängel vorliegen, kann der Erwerber einen entsprechenden Einbehalt (Zurückbehaltungsrecht) von der Rate machen (→ § 5 Rdn 33). Eine vertragliche Gestaltung, die das Zurückbehaltungsrecht aushebeln würde ("Der Verkäufer kann die Übergabe verweigern, wenn nicht alle bis dahin fälligen Raten gezahlt wurden"), ist unwirksam. Im Zuge der Wohnungsübergabe erfolgt üblicherweise die Abnahme des Sondereigentums; zwingend ist das aber prinzipiell nicht, denn der Bauträger darf die Übergabe nicht von der Abnahme abhängig machen. Hält der Erwerber die Wohnung nicht für abnahmereif, kann er die Abnahmeerklärung verweigern; aber dann wird der Bauträger ihm die Wohnung nicht übergeben. Wenn der Erwerber dringend einziehen muss, bleibt ihm nichts anderes übrig, als trotz fehlender Abnahmereife die Abnahme des Sondereigentums zu erklären (wobei er selbstredend einen Vorbehalt wegen der Mängel machen sollte). Es kommt aber nicht nur vor, dass Wohnungen übergeben werden sollen, obwohl sie noch nicht bezugsfertig sind, sondern auch der umgekehrte Fall: Eine Wohnung ist bezugsfertig, der Bauträger übergibt sie aber rechtswidrig nicht, um die Zahlung nicht fälliger Raten zu "erpressen". In diesem Fall kann der Erwerber, wenn der Einzug dringlich ist, die Übergabe per einstweiliger Verfügung erzwingen.
Rz. 14
Die Abnahme erfordert eine Erklärung des Erwerbers, dass er das Werk im Wesentlichen als vertragsgemäß anerkennt ("billigt"). Abweichend hiervon gilt – für Verträge, die ab dem 1.1.2018 geschlossen wurden (→ § 5 Rdn 2) – das Werk gem. § 640 Abs. 2 BGB auch dann als abgenommen, wenn der Bauträger dem Erwerber n...