Rz. 359
§ 308 Nr. 4 BGB untersagt Vertragsbedingungen, durch die sich der Verwender ein für den Vertragspartner unzumutbares Recht zur Änderung oder Abweichung von der vertraglich vereinbarten Leistung vorbehält.
Rz. 360
Der Zweck des Klauselverbots besteht darin, dem Vertragspartner seinen ursprünglichen Leistungsanspruch zu erhalten und ihn vor nachträglichen Änderungen durch den Verwender zu schützen, soweit die von dem Verwender vorbehaltene Änderung für ihn unzumutbar ist. Die Leistung des Verwenders gehört nämlich zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen, auf deren Grundlage sich der Vertragspartner regelmäßig zum Schluss des Vertrages entschlossen hat, weshalb eine nachträgliche Änderung durch den Verwender das Interesse des Vertragspartners an einem äquivalenten Leistungsaustausch beeinträchtigen kann.
Rz. 361
Inhaltlich erfasst § 308 Nr. 4 BGB alle Vertragsbestimmungen, die dem Verwender die Möglichkeit einräumen, den Inhalt des Vertrages zulasten des Vertragspartners zu ändern. Dies schließt einerseits eine Abweichung, andererseits auch eine vollständige Änderung der vereinbarten vertraglichen Leistung ein. Die Änderungen können sich sowohl auf den Leistungsumfang, die Leistungsbeschaffenheit als auch die Leistungsmodalitäten von Haupt- oder Nebenleistungen beziehen. § 308 Nr. 4 BGB gilt für alle Vertragsarten, insbesondere auch für Arbeitsverträge. Das Klauselverbot bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf Änderungen der vom Verwender zu erbringenden Leistung. Erfasst werden auch Geldleistungen, vor allem Darlehens-/Sparzinsen, auf die der Verwender nach Vertragsabschluss nicht mehr ohne Weiteres Einfluss nehmen kann. Nicht von § 308 Nr. 4 BGB erfasst wird dagegen das erstmalige Leistungsbestimmungsrecht des Verwenders.
Rz. 362
Das Änderungsbegehren des Verwenders kann entweder in einer Verringerung seines Leistungsumfangs oder in einer Änderung des Leistungsinhalts bestehen. Aber auch die Veränderung des Leistungsinhalts oder -umfangs des Vertragspartners kann dessen Interessen beeinträchtigen und deshalb unter § 308 Nr. 4 BGB fallen. Ob eine Änderung der Leistung vorliegt, hängt davon ab, ob sich die Leistungen nach Inhalt, Menge, Qualität und sonstigen Leistungsmodalitäten entsprechen. Dazu muss der konkrete Leistungsinhalt im Vertrag vereinbart sein oder sich durch die Auslegung des Vertrags ergeben. Ausschließlich dann, wenn durch den Änderungsvorbehalt auch der Inhalt oder Umfang dieser vertraglich vereinbarten Leistung durch den Verwender nicht nur unerheblich beeinflusst wird, ist § 308 Nr. 4 BGB anwendbar.
Rz. 363
Bezieht sich der Änderungsvorbehalt nicht auf die vertragliche Vereinbarung, sondern auf eine gesetzliche Regelung ist anstelle des § 308 Nr. 4 BGB entweder § 307 BGB oder § 309 Nr. 7 BGB anwendbar. Daher werden formularmäßige Vorbehalte, die den Verwender zur Erbringung von Teilleistungen berechtigen, nur dann von § 308 Nr. 4 BGB erfasst, wenn mit dem Vertragspartner die vollständige Erfüllung vereinbart war. Fehlt es dagegen an einer vertraglichen Bestimmung, kann ein entsprechender Teilleistungsvorbehalt gleichwohl deshalb unwirksam sein, weil durch ihn von der gesetzlichen Regelung des § 266 BGB abgewichen wird, so dass auch bei fehlender vertraglicher Vereinbarung der Vorbehalt einer Teilleistung einer Angemessenheitskontrolle unterliegt. Deshalb ist ein unbeschränkter Teillieferungsvorbehalt im Regelfall unwirksam.
Rz. 364
§ 308 Nr. 4 BGB findet auf folgende Erscheinungsformen eines Änderungsvorbehaltes Anwendung:
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Gestaltungs- und Bestimmungsrechte des Verwenders, |
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Zustimmungsansprüche bei Leistungsänderungen, |
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Anwendung von "Ca."-Klauseln, |
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automatische Leistungsanpassungen, |
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Ersetzungsbefugnis zugunsten des Verwenders, |
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Ergänzungen des Leistungsumfangs, |
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verdeckte Änderungsvorbehalte, |
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Bevollmächtigungen des Verwenders zur Leistungsänderung durch den Vertragspartner, |
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Unbeachtlichkeit geringfügiger Mängel. |
Rz. 365
Zulässig ist ein Änderungsvorbehalt, wenn er dem Vertragspartner zumutbar ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die typischen Interessen des Vertragspartners hinter denen des Verwenders zurückbleiben. Dabei ist bei der Interessenabwägung einerseits das Interesse des Verwenders an der Abweichung von dem vertraglich vereinbarten Leistungsinhalt oder -umfang, andererseits das Erfüllungsinteresse des Vertragspartners zu berücksichtigen. Insoweit trifft den Verwender für die Zumutbarkeit die Darlegungs- und Beweislast, während dem Vertragspartner lediglich die Beweislast für einen bei Bejahung der Zumutbarkeit ausnahmsweise vorliegenden Verstoß gegen § 242 BGB durch die Ausfüllung des Änderungsvorbehaltes obliegt.
Rz. 366
Insbesondere folgende Umstände können bei Abwägung der Interessen von Belang sein:
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langfristige Lieferbeziehung mit geringfügigen Qualitätsschwankungen, |
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Verschulden einer Vertragspartei bzgl. des Änderu... |