Vertragsstrafe der Kfz-Versicherung wegen Überschreitens der maximalen Fahrleistung
Ein Versicherungsnehmer hatte eine Kaskoversicherung abgeschlossen, in der eine maximale Fahrleistung von 15.000 Kilometer pro Jahr (Jahreskilometerleistung) vereinbart war. Als er nach einem Unfall die Versicherung in Anspruch nehmen wollte, stellte diese im Rahmen der Unfallregulierung fest, dass der Versicherungsnehmer mehr als die festgelegten maximal 15.000 Kilometer pro Jahr gefahren war.
500 EUR Vertragsstrafe für Überschreiten der maximalen Kilometerleistung?
Für das Überschreiten der vereinbarten maximalen Kilometerleistung verlangte die Versicherung von dem Autofahrer eine Vertragsstrafe von 500 EUR und berief sich dabei auf die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB).
Vor dem Landgericht Koblenz hatte die Versicherung mit ihrer Klage keinen Erfolg. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die sich die Versicherung berufen hatte, hinsichtlich der Vertragsstrafenregelung gegen § 307 Abs. 1 S.1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen und die Regelung deswegen unwirksam ist.
Gericht sieht Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt
Konkret führte das Gericht aus, dass die Vertragsstrafe den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige: Die Höhe der Strafe sei im Verhältnis zum Verstoß und seinen Folgen für den Vertragspartner – die Versicherung – unverhältnismäßig.
Das heißt nicht, dass Versicherungsnehmer die vereinbarte maximale Kilometerleistung bedenkenlos überschreiten können. Das Gericht sah durchaus, dass die zugrunde gelegte Fahrleistung mit der Höhe der vereinbarten Versicherungsprämie zusammenhängt. Es sei nachvollziehbar, dass eine höhere Fahrleistung zu einer neuen Prämienberechnung führen könne, weil sie das Risiko für die Versicherung steigere, vom Versicherungsnehmer in Anspruch genommen zu werden.
Vertragsstrafen bei Überschreiten der Kilometergrenze sind grundsätzlich möglich
Eine Sanktion seitens der Versicherung, wenn der Autofahrer eine höhere Fahrleistung nicht anzeige, sei deshalb grundsätzlich nicht unbillig. Sonst wäre es für jeden Versicherungsnehmer risikolos möglich, zu Lasten der Versichertengemeinschaft beim Stellen des Antrags unangemessen niedrige Angaben zur maximalen Fahrleistung pro Jahr anzugeben, um eine möglichst niedrige Versicherungsprämie zu zahlen. Eine derartige Vertragsstrafe entspreche zudem auch den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Höhe der Vertragsstrafe war bei einfach fahrlässigem Verhalten nicht verhältnismäßig
Das Spezielle an den streitgegenständlichen AKB sei, dass diese auf eine bloß schuldhafte Nichtanzeige abstellten. Sie sahen deshalb auch bei (einfach) fahrlässigem Verhalten des Versicherungsnehmers eine Vertragsstrafe vor. Das hätte zur Folge, dass ein Versicherungsnehmer auch die Vertragsstrafe von 500 Euro zahlen müsste, falls er die festgelegte maximale Jahresfahrtleistung auch nur um einen Kilometer überschreite.
Bei einem einfach fahrlässigen Verstoß stehe die Höhe der Vertragsstrafe im Hinblick auf das gegebenenfalls geringe Gewicht des Vertragsverstoßes außer Verhältnis zu dessen Folgen, so das Gericht.
(LG Koblenz, Urteil v. 03.11.2021, 16 S 2/21).
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Zur Angemessenheit von Vertragsstrafen in AGB
Hintergrund: BGH beurteilt AGB mit undifferenzierter Vertragsstrafenhöhe streng
Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Bei der Auslegung der Klausel gehen Risiken zu Lasten des Verwenders. Der BGH fährt eine strenge Linie hinsichtlich pauschaler Beträge in Vertragsstrafenvereinbarungen in AGB fort (BGH, Urteil v. 20.01.2016, VIII ZR 26/15).
Unternehmen sollten im Einzelfall darauf zu achten, dass die Höhe der Vertragsstrafe nach der Schwere des jeweiligen Verstoßes bzw. den jeweiligen Vertragspflichten differenziert. Ein pauschaler Betrag für sämtliche in Betracht kommenden Vertragsverletzungen wird, erweist sich häufig als unwirksam (BGH, Urteil v. 31.08.2017, VII ZR 308/16).
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