Folgen verspäteter Meldung eines Unfallschadens an die Kaskoversicherung
Ein am Straßenrand abgestellter Porsche wurde an der linken Seite beschädigt. Schaden: 5.600 Euro. Der potenzielle Verursacher hinterließ an der Windschutzscheibe Namen und Mobilnummer.
Versicherung erst sechs Monate nach Schaden informiert
Der Porsche-Fahrer versuchte vergeblich, den Zettelschreiber /Fahrerflucht-Begeher zu kontaktieren und ließ schließlich den Schaden reparieren. Seine Kaskoversicherung informiert er erst sechs Monate nach dem Unfall. Die lehnt es ab zu bezahlen. Begründung:
- Der geschädigte Porsche-Fahrer habe seine Anzeigenobliegenheit verletzt
- Das eingeholte Schadensbild sei zudem nicht plausibel
- und das vom Kläger eingeholte Gutachten unbrauchbar
Das OLG Hamm entschied: Der Porsche-Fahrer hat keinen Anspruch gegen die Versicherung.
Der Kläger hätte sich innerhalb einer Woche nach dem Schadensereignis bei der Versicherung melden müssen.
Sechs Monate seien viel zu spät.
Verpflichtung zur Schadensmeldung unabhängig von Leistung der Versicherung
Da spiele es auch keine Rolle, dass der Porsche-Fahrer ursprünglich davon ausging, den Schädiger in Anspruch zu nehmen. Denn die Verpflichtung zur Meldung eines Schadens bestehe unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Leistung des Versicherers in Anspruch genommen werde.
Die Anzeigenpflicht des Geschädigten solle es dem Versicherer ermöglichen, eigene Ermittlungen anzustellen, falls er in Anspruch genommen werde.
Anzeigenobliegenheit wurde vorsätzlich verletzt
Der Kläger hat die Anzeigenobliegenheit nach Auffassung des Gerichts vorsätzlich verletzt. Schließlich habe er selbst zugegeben, dass ihm klar gewesen sei, dass er den Schaden hätte melden müssen.
- Selbst wenn ihm die Wochenfrist nicht präsent gewesen sei,
- habe er nicht ernsthaft darauf vertrauen können, dass eine Meldung sechs Monate nach dem Schaden
- und nach dessen vollständiger Beseitigung noch genügen könne.
Versicherung muss sich selbst Bild vom Schaden machen
Der Kläger konnte auch nicht nachweisen, dass die verzögerte Schadensanzeige nicht dazu beigetragen hat, dass die Versicherung keine Feststellungen zum Versicherungsfall und ihrer Leistungspflicht treffen konnte.
Daran ändert auch das vom Kläger kurz nach dem des Schaden in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten und auch die Bescheinigung über die durchgeführte Reparatur nichts: Das Gutachten weise Fehler auf, die Bestätigung des Sachverständigen lasse nicht erkennen, dass das Fahrzeug sachgerecht repariert wurde, so das Gericht. Damit bleibt der Porsche-Fahrer auf seinem Schaden sitzen.
(OLG Hamm, Beschluss v. 21.06.2017, 20 U 42/17).
Hintergrund:
Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen
- Kündigung des Vertrags
Ein Versicherer kann den Vertrag nur kündigen, wenn der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls die zu erfüllenden Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat (§ 28 Abs. 1 VVG). Die Kündigung muss innerhalb eines Monats ausgesprochen werden, nachdem der Versicherer von der Verletzung Kenntnis erlangt hat.
- Leistungsfreiheit
Im Gegensatz zur Kündigung des Vertrags ist die Leistungsfreiheit des Versicherers eine mögliche Konsequenz von Obliegenheitsverletzungen vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalls. Dem Versicherungsnehmer muss ein Vorsatz oder zumindest eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Die Rechtsfolge kann nur eintreten, wenn sie ausdrücklich in den AVB vereinbart wurde. Leistungsfreiheit tritt bei Verletzung einer Obliegenheit nicht von selbst ein. Das Versicherungsunternehmen muss sie geltend machen.
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.307
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7852
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.621
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.563
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.507
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.473
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.328
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.303
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.154
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0021
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024
-
Handelsregistervollmachten – Anforderungen und Umgang bei Rückfragen des Handelsregisters
12.11.2024
-
Datenschutzbehörden müssen nicht zwingend Sanktionen verhängen
07.11.2024
-
Typisch stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften – Unterschiede zwischen GmbH und AG
06.11.2024
-
Bundesnetzagentur wird nationale Marktüberwachungsbehörde bei der KI-Aufsicht
05.11.2024
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024