Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 271
Gemäß § 373 ZPO wird der Zeugenbeweis durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten. Der Zeugenbeweis gilt als das unzuverlässigste Beweismittel, weil die Zeugenaussage immer durch ihre Subjektivität beeinträchtigt sein kann. Dennoch halten erfahrungsgemäß Gerichte in deutlich weniger als 10 % der Fälle Zeugen für unglaubwürdig oder ihre Aussagen für unglaubhaft. Deshalb sollte, wenn ein Zeuge zur Verfügung steht, dieser auch benannt werden.
a) Zeugenfähigkeit
Rz. 272
Als Zeugen können aussagen:
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jede natürliche Person, also auch nahe Angehörige; Ausnahme: die Parteien selbst und deren gesetzliche Vertreter (z.B. die Eltern bei minderjährigen Prozessbeteiligten oder der Geschäftsführer einer GmbH) können keine Zeugen sein, |
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Pflegepersonen der Parteien, |
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Zeugen vom Hörensagen, |
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sachverständige Zeugen, |
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Rechtsanwälte, auch in laufenden Verfahren, |
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"heimliche" Zeugen nur, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verletzt worden ist (absolut geschützt ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung). |
b) Taktische Fragen
Rz. 273
Der Rechtsanwalt kann einen Zeugen vor dem Prozess befragen. Bei unsicheren (alten, kranken, ladungsunfähigen) Zeugen können schriftliche Erklärungen im Prozess als Urkunde vorgelegt werden.
Rz. 274
Man darf einen Zeugen durchaus vor dem Prozess fragen, ob und was er aussagen würde. Dies ist keine unzulässige Zeugenbeeinflussung. Wenn der Zeuge im Prozess danach gefragt wird, ob er sich mit einer Partei unterhalten hat, muss er – selbstverständlich – auch in diesem Punkt wahrheitsgemäß aussagen. Das ist der Zeugenaussage nicht abträglich und kann sogar positiv als Beweis der Ehrlichkeit des Zeugen bewertet werden.
c) Zeugenbenennung
Rz. 275
Beweis ist spätestens anzutreten, wenn eine erkennbar anspruchsbegründende Tatsache bestritten wird. Beweis sollte bereits angetreten werden, wenn dies – z.B. angesichts einer vorgerichtlichen Korrespondenz – zu erwarten ist. Auf einen fehlenden Beweisantritt hat das Gericht indes hinzuweisen und Gelegenheit zu geben, Beweis anzutreten. Die Benennung von Zeugen erst nach einer Beweisaufnahme ist nach der Rechtsprechung des BGH entschuldigt, wenn erst das Ergebnis der Beweisaufnahme Anlass zur Benennung der Zeugen gibt und den Parteien ausdrücklich nachgelassen wurde, schriftlich zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.
Rz. 276
Der Zeuge ist benannt, wenn seine Person hinreichend individualisiert ist. Der Prozessgegner soll schon vor der Vernehmung des Zeugen dessen Identität, Glaubwürdigkeit usw. prüfen können. Wegen der Beibringungspflicht der Parteien muss der Zeuge ladungsfähig sein. Ladungsfähig ist jede Anschrift, unter welcher das Gericht den Zeugen erreichen kann. Das kann auch bei einer Dienst- oder Geschäftsanschrift der Fall sein. Unzureichend ist die Wendung "zu laden über den Kläger/Beklagten".
Rz. 277
Das Gericht darf nur ausnahmsweise eine beantragte Zeugenvernehmung zurückweisen, nämlich dann, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass die Vernehmung sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann. Weder die Unwahrscheinlichkeit der Tatsache noch die Unwahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Tatsache durch den benannten Zeugen berechtigen das Gericht dazu, von der Beweisaufnahme abzusehen.
Noch unbekannter Zeuge
Die unzulässige Bezeichnung "Zeugnis N.N." soll meist zeigen, dass die Partei noch den Namen und die Adresse eines Zeugen ermitteln und nachreichen will, die Bezeichnung ist aber grundsätzlich prozessual unergiebig.
Aussage über innere Tatsachen
Soll der Zeuge eine innere Tatsache bekunden, ist im Schriftsatz anzugeben, wie er die Tatsache erfahren hat. Abzuraten ist von dem Beweisangebot einer eidlichen Vernehmung, zumal Zeugen grundsätzlich uneidlich zu vernehmen sind.
d) Schriftliche Zeugenaussage
Rz. 278
Will der Rechtsanwalt die schriftliche Beantwortung von Beweisfragen des gegnerischen Zeugen nach § 377 Abs. 3 ZPO angreifen, kann er das Erscheinen des Zeugen zum Termin erzwingen: Die Ladung ist mit der schriftlichen Ankündigung von Fragen zu beantragen. Des Weiteren kann das Gericht darauf hingewiesen werden, dass die schriftliche Auskunft unzulänglich oder eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen nach § 394 Abs. 2 ZPO angezeigt ist. Schließlich kann die erforderliche Beeidigung nach § 391 ZPO vorgetragen werden.
Rz. 279
Soweit der Zeuge eigene wirtschaftliche oder auch nur ideelle Interessen am Ausgang des Rechtsstreits oder eine besondere Nähe zum Kläger oder Beklagten hat, sollte dies mit der Benennung gegenüber dem Gericht sofort offenbart werden. Offenbart erst der Gegner diese für die Beurteilung der Zeugenaussage relevanten Gesichtspunkte, entsteht der Eindruck, man habe dies verschweigen w...