Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 139
Vor dem Einreichen der Klageschrift sollte die Beweissituation geprüft werden. Kritisch können Fälle sein, in welchen der Kläger im Prozess voraussichtlich in Beweisnot geraten wird, z.B. wenn es um einen mündlichen Vertragsabschluss geht, bei welchem ausschließlich die Parteien anwesend waren, oder um eine Verletzung von Rechtsgütern, z.B. eine Verletzung durch einen Hundebiss, ohne dass Zeugen zur Verfügung stehen. Als Beweismittel käme dann nur die Parteivernehmung, §§ 445 ff. ZPO, in Betracht. Die eigene Partei wird aber nur vernommen, wenn der Gegner zustimmt, § 447 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen, § 448 ZPO, die die vorherige Erbringung des sog. Anbeweises bedingt, sind nur selten gegeben. Um diesem Dilemma zu entgehen, werden in der Praxis folgende Strategien angewendet:
Rz. 140
Der Gläubiger tritt seine Forderung an einen Dritten (meist ein Familienmitglied) ab, um nunmehr im Prozess als Zeuge aussagen zu können oder er ermächtigt einen Dritten per Einziehungsermächtigung, seine Forderung im Wege einer "Prozessstandschaft" einzuziehen. Nach der BGH-Rechtsprechung setzt eine gewillkürte Prozessstandschaft eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung voraus. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage hat, und kann auch wirtschaftlicher Natur sein. Diese Sachurteilsvoraussetzung wird vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft.
Rz. 141
Bei Gesamtgläubigerschaft kann ein Gläubiger seine Ansprüche auf den Mitgläubiger übertragen, der sodann den Prozess allein führt, sodass der Abtretende als Zeuge zur Verfügung stehen könnte.
Rz. 142
Handelt es sich bei der Partei um eine GmbH, kann diese vor dem Prozess oder der entscheidenden Beweisaufnahme den Geschäftsführer abberufen, damit dieser Zeuge sein kann.
Rz. 143
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die aufgezeigten Vorgehensweisen zulässig. Allerdings muss man davon ausgehen, dass das Gericht solche Zeugenaussagen streng würdigen wird bzw. ihnen nicht mehr Gewicht beimisst als einer Parteianhörung.