Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 261
Die Beweiskraft privater elektronischer Dokumente ist gesetzlich geregelt, § 371a Abs. 1 S. 1 ZPO: Danach sind private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, wie andere private Urkunden beweiskräftig. Der Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form vorliegenden Erklärung, der sich aufgrund der Prüfung nach dem Signaturgesetz ergibt, kann nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Erklärung vom Signaturschlüssel-Inhaber abgegeben worden ist, § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO.
Rz. 262
Ein Beweisantritt ist gemäß § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO in zwei Varianten möglich. Der Beweisführer, der Prozessgegner (oder ein vorlagepflichtiger Dritter) können die Datei nach ihrer Wahl entweder vorlegen oder übermitteln. Vorzulegen ist der ursprüngliche Datenträger selbst oder ein anderer Datenträger, auf den die Datei kopiert wurde (Festplatte, Diskette, CD, DVD oder USB-Stick). Eine Übermittlung ist
Zitat
"das Zurverfügungstellen der Datei auf technischem Wege als physikalisches, meist elektromagnetisches Signal in einem Übermittlungskanal unter Zugrundelegung eines für den Absender und Empfänger identischen Übermittlungsprotokolls."
Als Übermittlungswege sind solche gemäß § 4 Abs. 1 ERVV (EGVP, De-Mail, beA, beN, beBPo, eBO und die Nutzerkonten des OZG) zugelassen.
Ein Screenshot eines Internetinhalts ist ein elektronisches Dokument nach § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dessen Ausdruck auf Papier ist aber kein elektronisches Dokument und auch keine Urkunde, sondern ein Augenscheinobjekt gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 ZPO (Augenscheinsurrogat). Auch ist der Ausdruck einer elektronischen Datei auf Papier kein elektronisches Dokument und grundsätzlich auch keine Urkunde, sondern ein Augenscheinobjekt i.S.d. § 371 Abs. 1 S. 1 ZPO, das in Form eines Augenscheinsurrogats als Beweismittel dienen kann. Der Ausdruck einer E-Mail kann – wenn überhaupt – als Augenscheinobjekt allein Beweis dafür erbringen, dass die E-Mail mit den dort aufgeführten Anhängen versandt worden ist, nicht aber für den Inhalt ihrer Anhänge. Der Scan eines (vernichteten) Papierdokuments ist ein elektronisches Dokument und kann daher Gegenstand einer Inaugenscheinnahme nach § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO sein.
Rz. 263
§ 371b ZPO regelt die Beweiskraft eingescannter öffentlicher Urkunden. Demgemäß werden die Beweiskraftregelungen für öffentliche Urkunden auch auf die von öffentlichen Behörden und mit öffentlichem Glauben versehenen Personen eingescannten öffentlichen Urkunden erstreckt. Es gilt dann auch die Echtheitsvermutung, § 437 ZPO. Gescannte Privaturkunden werden von § 371b ZPO jedoch erfasst. Insoweit bleibt es bei demselben (verminderten) Beweiswert, den auch eine Papierkopie hat.