Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 430
Wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist, genügt nach § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO für eine schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren ein rechtliches Interesse an der Feststellung, nämlich:
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des Zustandes einer Person oder des Zustandes oder Wertes einer Sache, |
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der Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels oder |
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des Aufwandes für die Beseitigung des Schadens oder Mangels. |
Rz. 431
Das rechtliche Interesse wird weit ausgelegt. Es ist schon gegeben, wenn der Zustand der Sache die Grundlage einer beliebigen Forderung des Antragstellers oder eines anderen gegen ihn bilden kann. Das rechtliche Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellungen der Vermeidung eines Rechtsstreites dienen können (§ 485 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Rz. 432
Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann gemäß § 485 Abs. 1 ZPO die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verlorengeht oder seine Benutzung erschwert wird. In einem anhängigen Prozess kann das selbstständige Beweisverfahren von Bedeutung sein, wenn das Prozessgericht noch keine Beweisaufnahme beschlossen hat oder keine Beweisaufnahme durchführen kann, etwa wegen der Aussetzung des Hauptverfahrens.
Rz. 433
Der drohende Verlust eines Beweismittels oder dessen Erschwerung kann der Fall sein bei:
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hohem Alter eines Zeugen, |
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einer gefährlichen Erkrankung eines Zeugen, |
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einer später erheblichen Verteuerung der Beweisaufnahme oder |
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bei dem Verderb einer Sache oder ihrer Veränderung, |
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bei einer beabsichtigten (notwendigen und nicht aufschiebbaren) Beseitigung von Mängeln. |