Rz. 379

In diesem Eilverfahren kommt es auf die Sicherung von Individualansprüchen an. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt regelmäßig einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus.

 

Rz. 380

Es wird unterschieden[192] zwischen:

der Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO),
der Regelungsverfügung (§ 940 ZPO) und
der Leistungsverfügung ("Befriedigungsverfügung")
Die in der Praxis bedeutsame Unterlassungsverfügung (vgl. das Handlungsverbot unter § 938 Abs. 2 ZPO) ist im Sinne der vorstehenden Einteilung in der Regel Sicherungs- und Regelungsverfügung, unter Umständen auch Leistungsverfügung.
 

Rz. 381

Die Maßnahme darf (außer vorläufig bei der Leistungsverfügung)

nicht zur Gläubigerbefriedigung führen (keine Vorwegnahme der Hauptsache),
nicht über den Hauptanspruch hinausgehen und
keine endgültige Vollziehung enthalten.
Außerdem muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.
[192] Vgl. dazu Zöller/Vollkommer, 33. Aufl. 2020, § 935 ZPO Rn 2.

1. Sicherungsverfügung

 

Rz. 382

Die Sicherungsverfügung sichert einen Individualanspruch auf eine gegenständliche Leistung.

 

Rz. 383

Ein Verfügungsanspruch ist z.B. vorhanden bei:

einem Anspruch auf Herausgabe oder einem Leistungsanspruch,
der Änderung oder Übertragung von Rechten,
dem Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung oder
dem Anspruch auf Unterlassung.
 

Rz. 384

Der erforderliche Verfügungsgrund ist dann die objektive Besorgnis, dass die Anspruchsverwirklichung durch eine Zustandsänderung gefährdet ist, z.B. durch:

das Veräußern oder Wegschaffen,
eine Belastung,
das Verarbeiten oder eine wesentliche Substanzveränderung,
einen bevorstehenden Eingriff in Rechte.

2. Regelungsverfügung

 

Rz. 385

Die Regelungsverfügung klärt einstweilen ein streitiges Rechtsverhältnis, z.B.

die gemeinsame Nutzung von Miet- oder Pachtsachen,
gesellschaftsrechtliche Geschäftsführungsbefugnisse.
 

Rz. 386

Der gesetzlich geforderte Verfügungsgrund liegt in der objektiven Notwendigkeit einer einstweiligen Regelung zur Wahrung des Rechtsfriedens, insbesondere zum Abwenden wesentlicher Nachteile oder zur Gewaltverhinderung.

3. Leistungsverfügung

 

Rz. 387

Die Leistungsverfügung wird im Allgemeinen auf § 940 ZPO gestützt und ermöglicht zur Existenzsicherung die – ausnahmsweise zulässige – vorläufige Anspruchsbefriedigung.

Der Verfügungsanspruch ist gegeben etwa

bei der Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter,
bei verbotener Eigenmacht (vgl. § 858 BGB) z.B. bei possessorischen Besitzschutzansprüchen aus §§ 861, 862 BGB,
in Wettbewerbssachen.
 

Rz. 388

Verfügungsgrund ist hier die objektive Notwendigkeit vorläufiger Befriedigung zum Abwenden einer existentiellen Notlage, die das Verweisen auf spätere Ansprüche unzumutbar macht. Bei possessorischen Ansprüchen auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB) oder wegen Besitzstörung (§ 862 BGB) bedarf es in der Regel keines besonderen Verfügungsgrundes.[193]

[193] Palandt/Herrler, 79. Aufl. 2020, § 861 Rn 11; § 862 Rn 12.

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