Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 417
Bei der Klageerwiderung im Urkundenprozess muss der Rechtsanwalt zunächst prüfen, ob Erfolgsaussichten im Ausgangs- oder erst im Nachverfahren bestehen. Sollte die Klage zulässig sein und der Beklage keine Einwendungen gegen die Echtheit der Urkunde haben, oder absehbar sein, dass der Beklagte seine Einwendungen nicht mit den im Urkundsprozess statthaften Beweismitteln wird beweisen können, ist zu empfehlen, den Anspruch im Urkundenprozess unter Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren, § 600 ZPO, anzuerkennen, in welchem wieder alle Beweismittel zugelassen sind.
Formulierungsbeispiel
"In pp. will der Beklagte seine Einwendungen erst im Nachverfahren geltend machen. Er erkennt daher den Klageanspruch unter Vorbehalt seiner Rechte im Nachverfahren an."
Rz. 418
Hält der Beklagte seine Verteidigung im Urkundenprozess für Erfolg versprechend, empfiehlt sich folgender Antrag:
Formulierungsbeispiel
„In pp. werde ich beantragen,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantrage ich,
dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.“
Rz. 419
Der Beklagte kann schon im Urkundenprozess sämtliche nach Bürgerlichem Recht mögliche Einwendungen erheben. Wenn der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen bestreitet und der Beklagte keinen Beweis nach §§ 595 Abs. 2, 598 ZPO anbietet, werden die Einwendungen des Beklagten allerdings unstatthaft. Wenn der Beklagte die Einwendungen erst im Nachverfahren geltend machen will, braucht er sie im Ausgangsverfahren nicht vorzutragen. Er muss aber darauf achten, dass er Tatsachenbehauptungen des Klägers widerspricht, an deren Feststellungen im Vorbehaltsurteil das Gericht für das Nachverfahren gebunden wäre, wie z.B. in Bezug auf die Prozessvoraussetzungen oder die Formerfordernisse der Urkunde.
Rz. 420
Eine Widerklage kann für den Beklagten im Urkundsprozess nicht erhoben werden, weil eine solche gemäß § 595 Abs. 1 ZPO unstatthaft wäre. Diese wäre jedoch im Nachverfahren möglich.
Rz. 421
Wurde der Beklagte durch ein Vorbehaltsurteil zur Zahlung verurteilt, muss der Beklagtenvertreter prüfen, ob das Nachverfahren Erfolg versprechend ist oder ob ggf. eine Berufung gegen das Vorbehaltsurteil in Betracht kommt. Berufung ist einzulegen, wenn die Bindungswirkungen des Vorbehaltsurteils angefochten werden sollen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn im Vorbehaltsurteil eine Prozessvoraussetzung oder die Formgültigkeit der Urkunde fälschlicherweise angenommen wurde. Die Berufung ist ferner zu wählen, wenn das Gericht die Beklagteneinreden nicht mangels eines zulässigen Beweisangebots, sondern als sachlich unerheblich zurückgewiesen hat.
Rz. 422
Für ein Nachverfahren ist stets das Gericht zuständig, welches das Vorbehaltsurteil erlassen hat. Der Rechtsanwalt sollte immer beantragen, dass gemäß § 707 Abs. 1 S. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird.
Rz. 423
Im Nachverfahren fallen die Beschränkungen des Urkundenprozesses weg. Der Beklagte kann seine Einwendungen mit sämtlichen Beweismitteln beweisen. Darüber hinaus kann er neue Tatsachen vortragen. Er kann auch anspruchsbegründende Tatsachen bestreiten, die er im Urkundenprozess nicht bestritten hat. Auch eine Widerklage ist jetzt zulässig.
Formulierungsbeispiel
„In pp. ist dem Beklagten im Urt. v. […] die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten worden. Der Beklagte will das Nachverfahren durchführen.
Namens und in Vollmacht des Beklagten werde ich beantragen,
das Vorbehalts-Schlussurteil vom […] aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Ferner beantrage ich,
die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehalts-Schlussurteil vom […], notfalls gegen Sicherheitsleistung, einzustellen.“