Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prozessführungsbefugnis (einer Partei) handelt es sich um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung, bei deren Fehlen eine Klage unzulässig ist.
Einer Zulässigkeitsrüge (einer Partei) bedarf es nicht; das Gericht muss das Fehlen (der Prozessführungsbefugnis) in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen berücksichtigen.
2. Zwar entfaltet im Urkundsverfahren ein Vorbehaltsurteil grundsätzlich Bindungswirkung für das Nachverfahren (§§ 302, 318 ZPO). Die mit dem Vorbehaltsurteil (zunächst) positiv ausgefallene Zulässigkeitsbeurteilung (der Klage) gilt aber nicht für den erst im Nachverfahren bekannt gewordenen Entzug der Prozessführungsbefugnis eines Insolvenzschuldners durch Übertragung der Verfügungsbefugnis über sein Vermögen auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO). Dieser wird mit der Übertragung der Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen Partei kraft Amtes (= gesetzliche Prozessstandschaft).
Ist demnach dem Insolvenzschuldner die Prozessführungsbefugnis - durch Entzug der Verfügungsbefugnis nach § 80 InsO - abhanden gekommen und wird dieser Umstand dem Gericht erst im Nachverfahren bekannt, kann einem Vorbehaltsurteil keine Bindungswirkung mehr in Bezug auf die (zunächst angenommene) Prozessführungsbefugnis des Insolvenzschuldners zukommen. Das die Zulässigkeit (der Klage) bejahende Vorbehaltsurteil ist abzuändern und die Klage abzuweisen.
Normenkette
ZPO §§ 302, 318; InsO § 80
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 27.08.2008; Aktenzeichen 3 O 1884/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil des LG Erfurt vom 27.8.2008 - Az.: 3 O 1884/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Urkunden-/Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 10.1.2008 wird aufgehoben.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Berufungsstreitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung (restlichen) Werklohns in Anspruch. Er hat die - im Urkundenprozess erhobene Klage - zunächst (nur) auf einen am 10.8.2007 geschlossenen Vergleich (Bl. 11 f.) gestützt, wonach ihm für die vom Beklagten in Auftrag gegebene Installation einer Heizungsanlage ein - in zwei Raten zu entrichtender - "Pauschalfestpreis" i.H.v. 15.000 EUR zusteht. Gegenstand der Klage ist die - nicht gezahlte - zweite Rate von 7.500 EUR.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.12.2007 (Bl. 18 f.) hat der Beklagte den "Klageanspruch unter Vorbehalt seiner Rechte im Nachverfahren anerkannt."
Mit "Urkunden-. Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil im schriftlichen Verfahren" vom 10.1.2008 (Bl. 24 f.) hat das LG den Beklagten zur Zahlung von 7.500 EUR nebst (beantragter) Zinsen verurteilt.
Nachfolgend hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.1.2008 (Bl. 34 ff.) beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung im Nachverfahren zu bestimmen.
In dem hierdurch eingeleiteten Nachverfahren hat er sich im Wesentlichen mit dem Einwand verteidigt, die zweite Vergleichsrate sei wegen (behaupteter) Mangelhaftigkeit der Heizungsanlage nicht fällig.
Erstmals im Nachverfahren - und zwar mit dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.2.2008 (Bl. 46 ff.) - ist dem LG mitgeteilt worden, dass sich der Beklagte bzw. dessen Vermögen seit dem 22.1.2007 in Privatinsolvenz befindet (Beschluss des AG Erfurt v. 22.1.2007 - Az.: 174 IN 963/06 - Bl. 55). Mit der Begründung der sowohl bei der Auftragserteilung im Juli 2007 als auch beim Vergleichsschluss im August 2007 bereits vorgelegenen, jedoch verschwiegenen Zahlungsunfähigkeit und des hierin liegenden Betruges hat der Kläger seine Forderung im Nachverfahren "auch" auf §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB gestützt.
Das LG hat das Anerkenntnisvorbehaltsurteil mit Schlussurteil vom 27.8.2008 für vorbehaltlos erklärt und dem Kläger zugleich weitere 555,60 EUR (vorgerichtliche Anwaltskosten) zugesprochen. Der Beklagte habe sich dem Kläger - in Höhe der zweiten Vergleichsrate und der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten - aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB schadensersatzpflichtig gemacht, indem er das bei der Auftragserteilung bereits eröffnete Insolvenzverfahren verschwiegen habe (Eingehungsbetrug).
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigtem am 16.9.2008 zugestellte Schlussurteil hat der Beklagte am 2.10.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis dahin verlängerten Frist am 25.11.2008 begründet.
Mit der Berufung rügt der Beklagte eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts. Trotz des Insolvenzverfahrens habe er den Werkvertrag mit dem Kläger abschließen können und dürfen. Er habe den Werkauftrag im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter erteilt; die streitgegenständlichen 7.500 EUR stünden auc...