Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 337
Das Gericht erhält das "Original" des Schriftsatzes, der gemäß § 130 Nr. 6 ZPO zu unterschreiben ist. Weil Schriftsätze von Rechtsanwälten seit dem 1.1.2022 nur noch auf elektronischem Weg bei Gericht eingereicht werden dürfen (Nutzungspflicht gemäß § 130d S. 1 ZPO), ersetzt die hierfür vorgeschriebene Übermittlungsform des § 130a ZPO das Unterschriftserfordernis. Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht dabei der Unterschrift des Rechtsanwalts. Das seit dem 28.11.2016 in Betrieb befindliche beA soll dem Rechtsanwalt u.a. die elektronische Kommunikation mit der Justiz eröffnen, § 20 Abs. 1 S. 1 RAVPV. Durch Authentifizierungs- und Verschlüsselungstechniken wird sichergestellt, dass sich kein Unbefugter (auch nicht die BRAK) Zugang zum Postfach verschaffen kann. Voraussetzung für den Zugriff auf das beA ist, dass der Rechtsanwalt seine beA-Karte bestellt und die sog. Erstregistrierung an dem Postfach vornimmt.
Rz. 338
Wichtiger Hinweis
Die aktive beA-Nutzungspflicht und die entsprechende Norm § 130d ZPO gehören nach dem BGH zum verfahrensrechtlichen Grundwissen eines im Zivilprozess tätigen Rechtsanwalt.
Rz. 339
Die Normen sind Basiswissen, die Anwälte kennen müssen:
Zitat
"Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Dazu zählen ohne jeden Zweifel die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (§§ 130a, 130 ZPO)."
Rz. 340
Die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt damit die handschriftliche Unterschrift. An ihrer Stelle kann nach § 130a Abs. 3 und 4 Nr. 2 ZPO derjenige Rechtsanwalt, welcher das Dokument verantwortet, seinen Namen darunterschreiben, wenn er den Schriftsatz aus dem eigenen beA (besonderen elektronischen Postfach) an das Gericht sendet. Die qualifizierte Signatur muss nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH nicht höchstpersönlich vom Verfasser des Schriftsatzes stammen. Die Einreichung eines Schriftsatzes per beA ist auch dann wirksam, wenn ein Rechtsanwalt den Schriftsatz verfasst und einfach elektronisch signiert und ein anderer Anwalt qualifiziert signiert und damit die Verantwortung übernimmt. Eine Personenidentität ist nicht erforderlich; eines klarstellenden Zusatzes ("für") bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht. In diesem Sinn hat der BGH jüngst im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Berufungsbegründung entschieden:
Rz. 341
Zitat
"Der Rechtsanwalt, der das zuvor von einem anderen verfasste elektronische Dokument, das auch mit dessen Namen und Berufsbezeichnung abschließt, qualifiziert elektronisch signiert, bringt wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und den Mandanten als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten. Auch insoweit bedarf es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses, insbesondere nicht die Verwendung des Worts "für"."
Rz. 342
Nach altem Recht sollen dem Original eines Schriftsatzes zwei weitere Abschriften (vgl. § 133 Abs. 1 S. 1 ZPO) pro Prozessbeteiligten beigefügt werden. Für Anwälte ist diese Handhabung irrelevant geworden, denn § 133 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt gemäß S. 2 nicht für elektronisch übermittelte Dokumente (sowie für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen). Anlagen brauchen nicht qualifiziert signiert bzw. von der verantwortenden Person signiert auf einem sicherem Übermittlungsweg eingereicht zu werden, § 130a Abs. 3 S. 2 ZPO.