Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 329
Zeichnet sich ab, dass eine Klage über einen hohen Betrag unumgänglich ist und droht keine Verjährung, könnte eine Teilklage erwogen werden. Damit hat es folgende Bewandtnis:
Rz. 330
Besteht keine Rechtsschutzversicherung und kommt auch kein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht, kann es bei hohen Streitwerten angezeigt sein, das Prozesskostenrisiko zu reduzieren. Das gilt insbesondere dann, wenn auch ein Antrag auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens keine Alternative bietet, weil nämlich nicht zu erwarten wäre, dass sich der Antragsgegner dem Gutachten beugt.
Rz. 331
Mit der Teilklage wird nur ein Teil der Gesamtforderung eingeklagt. Verläuft der Prozess, ggf. nach einer Beweisaufnahme, Erfolg versprechend, ist die Klage zu erweitern oder die restliche Forderung in einem weiteren Verfahren geltend zu machen. Die Erweiterung ist als neuer Sachantrag entsprechend § 282 Abs. 2 ZPO schriftsätzlich so zeitig vor einem anberaumten Termin anzukündigen, dass der Beklagte sich noch (durch Einholung ggf. erforderlicher Erkundigungen) vorbereiten kann, damit er im Termin umfassend verhandeln muss, und ihm nicht etwa durch eine Vertagung möglich wird, weiter vorzutragen. Zudem müsste bei einer Klageerweiterung der weitere Gerichtskostenvorschuss zum erhöhten Streitwert zuvor noch eingezahlt werden.
Rz. 332
Ist der Prozessverlauf ungünstig, hat der Mandant durch den niedrigeren Streitwert zumindest Prozesskosten gespart.
1. Besonderheiten
Rz. 333
Folgende Besonderheiten einer Teilklage sind zu beachten:
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Der Schriftsatz ist mit "Teilklage" zu betiteln. |
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In der Begründung der Klage muss eindeutig deutlich gemacht werden, welcher Teil des Gesamtanspruchs Gegenstand der Klage ist. Bei mehreren selbstständigen Einzelforderungen reicht es aus, die Reihenfolge anzugeben. Ansonsten ist mitzuteilen, welcher Teil des gesamten Anspruchs (z.B. die ersten 6.000,00 EUR) geltend gemacht wird. Der Grund dafür liegt in der Bestimmtheit des Klagegegenstands, auf den sich die spätere Rechtskraft erstreckt. Ansonsten wäre die Teilklage mangels Bestimmtheit unzulässig. |
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Es darf keine Verjährung der Restforderung drohen (die regelmäßige Verjährungszeit beträgt drei Jahre, § 195 BGB). |
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Es dürfte sich meist empfehlen, mehr als 5.000,00 EUR einzuklagen, um die Zuständigkeit des Landgerichts zu begründen: Wenn es um eine höhere Summe geht, über die gewissermaßen exemplarisch geurteilt werden soll, ist es sinnvoll, dass ein Gericht damit befasst wird, das sich auch entsprechend tief in die Angelegenheit einarbeiten kann und auch für den Restbetrag zuständig wäre. |
2. Gewinn und Nutzen
Rz. 334
Die Teilklage ist aber nur dann uneingeschränkt empfehlenswert, wenn man den Gegner außergerichtlich noch nicht zur Zahlung über die Gesamtforderung aufgefordert hat. Bei solch einem "Berühmen" über den Anspruch besteht die Gefahr, dass der Beklagte eine negative Feststellungswiderklage erheben wird. Dieser beantragt damit, festzustellen, dass über den eingeklagten Teilbetrag hinaus auch keine weiteren Forderungen bestehen. Damit wird der Zweck der Teilklage, das Senken der Prozesskosten, unterlaufen, weil dann wieder der volle Streitwert für die Gerichtskosten und die Rechtsanwaltsgebühren anzusetzen ist. Falls also eine Teilklage in Betracht kommt, sollte im vorprozessualen Schriftverkehr tunlichst vermieden werden, Ansprüche in voller Höhe geltend zu machen. Allenfalls sollte der Rechtsanwalt mitteilen, dass "geprüft wird, ob weitergehende Ansprüche bestehen", um der Gefahr einer negativen Feststellungswiderklage vorzubeugen.
Rz. 335
Hat sich der Mandant bereits der Gesamtforderung "berühmt", und treibt der Beklagte mit der negativen Feststellungswiderklage die Prozesskosten in die Höhe, kann noch versucht werden, mit dem Beklagten einen Prozessvertrag über die Geltung des Urteils für den Gesamtanspruch zu schließen. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung kann im Nachhinein nämlich wieder entfallen, gerade wenn die Parteien während des Prozesses vereinbaren, dass das Urteil auch für die weitergehenden Ansprüche gelten soll.
Rz. 336
Dem Kläger nutzt jedoch nicht, einseitig zu erklären, dass die Entscheidung auch für seine weitergehenden Ansprüche verbindlich ist oder wenn er auf diese Ansprüche verzichtet. Der Beklagte kann eine rechtskräftige Entscheidung und damit Rechtssicherheit – auch gegenüber jedem möglichen Rechtsnachfolger des Klägers – verlangen. Er ist auch nicht verpflichtet, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Erlassvertrages anzunehmen. Auch ein prozessualer Verzicht würde nicht weiterhelfen, da der Kläger nicht auf von ihm eingeklagte Ansprüche verzichten würde.