Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 159
Wird durch die Worte "Beweis: Parteivernehmung" Beweis angetreten, so ist regelmäßig die Vernehmung des Gegners nach § 445 ZPO gemeint. Den Antrag nach § 445 ZPO kann immer nur die Partei stellen, die für die zu beweisende Tatsache die Darlegungs- und Beweislast trifft. Als Mittel des Gegenbeweises ist ein Antrag nach § 445 ZPO mithin unzulässig.
Die Parteivernehmung ist subsidiäres Beweismittel. Sie kommt zum einen in Betracht, wenn zuvor alle anderen Beweismittel ausgeschöpft sind und die Beweisführung noch unvollständig ist (§ 445 Abs. 1 Alt. 1 ZPO). Das heißt, dass dem Antrag auf Parteivernehmung nicht nur nicht entsprochen werden darf, wenn andere Beweise angetreten sind, sondern schon dann nicht, wenn andere Beweise angetreten werden könnten. Ein Antrag auf Parteivernehmung kann somit eigentlich nicht neben einem Antrag auf Zeugenvernehmung gestellt werden. Hat sich aber die beweispflichtige Partei in einem vorbereitenden Schriftsatz sowohl auf Zeugen- wie auch auf Parteivernehmung berufen, ist das Gericht gemäß § 139 ZPO verpflichtet, die Partei nach der zunächst durchzuführenden Vernehmung der Zeugen und Ausschöpfung sonstiger Beweismittel zu fragen, ob sie ihren Antrag auf Parteivernehmung aufrecht erhält.
Nach der zweiten Alternative des § 445 Abs. 1 ZPO ist die Parteivernehmung dann zulässig, wenn die beweispflichtige Partei andere Beweismittel nicht benannt hat. Es schadet der Partei nicht, wenn sie andere gegebenenfalls andere Beweismittel zur Verfügung gehabt hätte; es ist ihre eigene Sache, wenn sie sich allein auf das unsichere Mittel der Vernehmung des Gegners beschränkt.
Rz. 160
In Durchbrechung des Grundsatzes des Verbotes vorweggenommener Beweiswürdigung hat das Gericht gemäß § 445 Abs. 2 ZPO einem Antrag auf Parteivernehmung des Gegners nicht zu entsprechen, wenn er Tatsachen betrifft, deren Gegenteil es bereits für erwiesen erachtet. Damit soll verhindert werden, dass eine Partei, die alle Beweismittel ausschöpfen konnte, nunmehr noch den Gegner mit seiner Vernehmung behelligt (und obendrein den Prozess verschleppt). Ein Anwalt muss sich also dagegen wehren, wenn dem Gegner nach Ausschöpfung aller Beweismittel nichts anderes mehr einfällt, als nunmehr die Vernehmung seines Mandanten zu beantragen und das Gericht sich anschickt, unter Missachtung des § 445 Abs. 2 ZPO diesem Antrag zu entsprechen.
Rz. 161
Anders als der Zeugenbeweis setzt die Parteivernehmung einen förmlichen Beweisbeschluss voraus, § 450 Abs. 1 S. 1 ZPO. Gestaltet das Gericht eine Anhörung wie eine Parteivernehmung, vgl. dazu Rdn 94 ff., sollte der Anwalt das Gericht darauf hinweisen, dass schon mangels Beweisbeschlusses die förmlichen Voraussetzungen für die Parteibefragung nicht erfüllt sind.
Rz. 162
Eine Partei kann ohne Angabe von Gründen die Aussage verweigern; das Gericht kann aber – nicht muss – die Weigerung zum Nachteil der Partei werten, § 446 ZPO.
Das Gericht hat die Partei über ihr Aussageverweigerungsrecht zu belehren. Ist die Belehrung unterblieben, darf die Aussage nicht zum Nachteil der Partei verwertet werden.
Erscheint eine Partei unentschuldigt trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht. Können hieraus im Einzelfall auch nachteilige Schlüsse bei der Beweiswürdigung gezogen werden, OLG Naumburg NJW 2016, 1102:
Zitat
Dagegen hat sich der Bekl. nunmehr wiederholt einer Äußerung vor Gericht entzogen. Mögen sich in erster Instanz hieraus zu ziehende nachteilige Schlüsse noch durch den Hinweis des Bekl. auf das laufende Strafverfahren verboten haben. Spätestens nach dem rechtskräftigen Freispruch des Bekl. gibt es keinen Anlass mehr, von einer freien und vorliegend nachteiligen Würdigung seines Prozessverhalten (vgl. §§ 286 Abs. 1 S. 1, 446, 453, 454 ZPO) abzusehen. Wenn die Schilderung des Kl. nicht zuträfe, bestünde für den Bekl. keine Veranlassung, im Termin des Senats nicht zu erscheinen. Zunächst wäre es ihm sicher ein persönliches Bedürfnis, seinen Ärger über die falsche Anschuldigung und die damit verbundenen Gerichtsverfahren zum Ausdruck zu bringen. Außerdem musste der Bekl. davon ausgehen, dass sein Prozesserfolg von der Darstellung seiner Sicht der Dinge abhängen würde. Der Klage wurde in erster Instanz stattgegeben. Das LG hatte den Bekl. für beweispflichtig gehalten und durchblicken lassen, dass die Ablehnung einer Befragung durch das Gericht dem Bekl. zum Nachteil gereichte. Sein Prozessbevollmächtigter hatte dem Bekl. erklärtermaßen vor dem Senatstermin deutlich vor Augen geführt, es komme auf seine Anwesenheit an. Erscheint der Bekl. nach alldem dennoch nicht, lässt das den Schluss auf seine fehlende Bereitschaft an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, zu. Der Bekl. will weder zugeben noch abstreiten, dem Kl. Falschgeld übergeben zu haben. Dies macht nach Abschluss des Strafprozesses nur Sinn, wenn der Bekl. befürchten muss, sich wegen seines Prozessverhaltens erneut vor einem Strafgericht verantworten zu müssen. Davon kann aber nur dann die Rede sein, wenn d...