Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 259
Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 823 trägt nach allgemeinen Regeln der Anspruchsteller, im Prozess also der Schadensersatzkläger. Dies gilt für sämtliche Tatbestandsmerkmale der Norm, also nicht nur für die Haftungsbegründung und für die häufig zentralen Voraussetzungen der Sorgfaltspflichtverletzung und der haftungsbegründenden Kausalität, sondern auch für die haftungsausfüllende Kausalität. Mit Blick auf die Höhe des Schadens ist streitig, ob bestimmte Folgeschäden auf der Rechtsguts- oder Gesetzesverletzung beruhen, dann kommen dem Kläger die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute, vgl. Rdn 27 ff. Insbesondere ist das Beweismaß für den Schaden und die haftungsausfüllende Kausalität auf überwiegende Wahrscheinlichkeit reduziert. Für den Haftungsgrund – Rechtsgutsverletzung, Pflichtverletzung, haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung – gilt das Regelbeweismaß des § 286 ZPO.
Rz. 260
Allerdings wird auch mit Blick auf den Haftungsgrund das Prinzip der Allokation der Darlegungs- und Beweislast beim Anspruchsteller in vielerlei Hinsicht zugunsten des Geschädigten aufgeweicht. Unmittelbar aus der Fassung des Gesetzes ergibt sich bereits, dass der Geschädigte nicht die Verschuldensfähigkeit des Schädigers zu beweisen hat, sondern sich umgekehrt der Schädiger gemäß §§ 827, 828 BGB entlasten muss, wenn er aus diesem Grund der Haftung entgehen will. Stellt der Schädiger seine Haftung damit in Abrede, er sei im Zeitpunkt des Unfalls aufgrund innerer Krankheitsvorgänge handlungsunfähig gewesen, etwa weil er am Steuer seines Kfz einen Herzinfarkt erlitten habe, gilt dasselbe.
BGH NJW 1987, 121:
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Ist streitig, ob der aus Delikt in Anspruch genommene Schädiger bei der Verursachung des Schadens bewusstlos war, so trifft ihn die Beweislast für die Bewusstlosigkeit; nicht etwa hat der Geschädigte den Beweis für eine vom Willen beherrschbare Handlung des Schädigers zu führen.
Nach der Rechtsprechung trifft den Verletzten allerdings die Beweislast dafür, dass die Handlungsfähigkeit des Schädigers nicht aufgrund externer Umstände, wie physischen Zwangs, ausgeschlossen war.
BGH NJW 1963, 953:
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Den Verletzten trifft die Beweislast dafür, dass dem Schädiger eine "Handlung", d.h. ein der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegendes, beherrschbares Verhalten, zur Last liegt. Er muss daher ausschließen, dass der Verletzungsvorgang unter physischem Zwang erfolgt, oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden ist.
Das Eingreifen von Rechtfertigungsgründen ist demgegenüber vom Schädiger darzulegen und zu beweisen, während sich der Kläger mit dem Nachweis einer sorgfaltswidrig verursachten Rechtsgutsverletzung begnügen kann. Bei den Rahmenrechten – allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht am Unternehmen – hat der Geschädigte die Voraussetzungen zu beweisen, unter denen das Verhalten des Schädigers als rechtswidrig qualifiziert werden kann. Diese Voraussetzungen schließen in der Regel eine Abwägung der betroffenen grundrechtlichen Schutzgüter ein. Bei mehreren Notwehrhandlungen im Rahmen einer Schlägerei gehen Zweifel daran, welcher Schlag welche Verletzung ausgelöst hat, zulasten des Angreifers und Geschädigten.
Rz. 261
Beim Kausalitätsnachweises ist zwischen positivem Kausalitätsnachweis und rechtmäßigem Alternativverhalten zu unterscheiden. Während der Geschädigte die Beweislast dafür trägt, dass die Rechtsgutsverletzung durch das pflichtwidrige Verhalten des Schädigers verursacht wurde, trägt der Schädiger die Beweislast dafür, dass bei rechtmäßigem, d.h. pflichtgemäßem Verhalten die Rechtsgutsverletzung dennoch eingetreten wäre. Gleiches gilt für die übrigen Fallgruppen hypothetischer Kausalität, bei denen der Schädiger geltend macht, der Schaden wäre aufgrund einer sog. Reserveursache ohnehin eintreten.
BGH NJW 2012, 2024:
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Ob und welche Risiken sich im Falle der Vornahme nur eines Eingriffs realisiert hätten, betrifft nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten, für den der Bekl. beweispflichtig ist. Steht – wie hier – fest, dass ein Arzt dem Patienten durch fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei rechtmäßigem und fehlerfreiem ärztlichem Handeln erlitten hätte.
Vgl. auch BGH NJW 2016, 3522:
Zitat
Hat eine – mangels wirksamer Einwilligung – rechtswidrig ausgeführte Operation zu einer Gesundheitsbeschädigung des Patienten geführt, so ist es Sache der Behandlungsseite zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben würde, weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde.