Rz. 115

Zeuge eines Zivilrechtsstreits kann jeder sein, der nicht Partei dieses Rechtsstreits ist. Der gesetzliche Vertreter der Partei kann ebenfalls nicht Zeuge sein.[256]

Also auch

der Insolvenzschuldner bzw. das Geschäftsleitungsorgan des Insolvenzschuldners bei einer Unternehmensinsolvenz im Prozess des Insolvenzverwalters,
der Erbe im Prozess des Testamentsvollstreckers,
der Kommanditist im Prozess der Kommanditgesellschaft.

Wichtig: Kein Zeuge sein kann

der GmbH-Geschäftsführer als Organ der GmbH in deren Rechtsstreitigkeiten, wohl aber der nur faktische Geschäftsführer.[257]

Sonderfall:

Der durch seine Eltern im Prozess vertretene Minderjährige kann, solange er das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht als Partei, § 455 Abs. 2 ZPO, vernommen werden, wohl aber im eigenen Prozess Zeuge sein.[258] Sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits ist bei der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO zu berücksichtigen.[259]
[256] Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung, § 30 Rn 1.
[257] OLG München OLGR München 1997, 257.
[258] BGH NJW 1965, 2253, 2254.
[259] KG r+s 2000, 482; BGH WM 2001, 736, 739.

a) Manipulation der Zeugnisfähigkeit

 

Rz. 116

Die Rspr.[260] duldet es auch, dass die Parteien des Rechtsstreits durch Manipulationen Zeugnisfähigkeiten begründen oder umgekehrt auch nehmen: z.B. durch

Abtretung einer Forderung, um dann in dem Prozess des Zessionars selbst als Zeuge auftreten zu können;[261] der BGH und ihm folgend die h.M. halten das für unbedenklich, weil das Gericht das Interesse des Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits nach § 286 ZPO in der Beweiswürdigung berücksichtigen könne;[262]
vorübergehende Abwahl des GmbH-Geschäftsführers in der Gesellschafterversammlung, der nach Abschluss des Rechtsstreits wieder zum Geschäftsführer bestellt werden soll; denn maßgeblich für seine Stellung im Verfahren ist der Zeitpunkt der Vernehmung, nicht seine frühere und künftige als Geschäftsführer (gegen die Zeugnisfähigkeit des vorübergehend abgewählten Geschäftsführers hat sich Schmitz[263] ausgesprochen, allerdings mit der gekünstelt wirkenden Begründung, er sei gar nicht aus "wichtigem Grund" i.S.d. § 38 GmbHG abberufen worden).[264]

Die Bedenken gegen diese Praxis der Zeugnismanipulation sind gleichwohl durchaus berechtigt.[265] Das AG Bad Homburg[266] hat in der Abtretung von Forderungen zum Zwecke der Manipulation einen Verstoß gegen § 242 BGB gesehen und den Kläger als nicht aktiv legitimiert behandelt. Das Problem ist nur, dass die Manipulationsabsicht zumeist bestritten sein wird, deshalb über diese Frage Beweis erhoben werden müsste und der Rechtsstreit sich dann erst einmal auf einen Nebenkriegsschauplatz verlagern würde.

 

Rz. 117

Einem potenziellen Zeugen der Gegenseite kann seine Zeugnisfähigkeit genommen werden dadurch, dass gegen ihn Widerklage erhoben und er dadurch zur Partei des Rechtsstreits wird, z.B. der Fahrer des Pkw der Gegenseite;[267] teilweise wird darin aber auch ein unzulässiger Missbrauch gesehen.[268]

So OLG Celle OLG-Report 1996, 45:

Zitat

Die sachlich nicht begründete Erweiterung der Berufung auf einen Dritten mit dem offenkundigen Ziel, diesen als Zeugen zu eliminieren, ist rechtsmissbräuchlich. Soll durch prozessuale Manipulationen die Vernehmung eines Zeugen verhindert werden, kann vorab durch Teilurteil die Erweiterung der Berufung auf den Zeugen als unzulässig abgewiesen werden. Allein die Tatsache, dass eine Partei wegen der Kostenentscheidung im Prozess bleibt, hindert nicht ihre Vernehmung als Zeuge, wenn die Kostenentscheidung durch diese Vernehmung nicht mehr beeinflusst werden kann.

Ebenso OLG Frankfurt VersR 1969, 546; AG Köln VersR 1980, 272; LG Koblenz MDR 1999, 1020. Wenn man für diesen Standpunkt auch Sympathie haben mag, stellt sich aber wieder die Frage, wie diese Manipulationsabsicht so festgestellt werden kann, dass sie eine hinreichende Entscheidungsgrundlage abzugeben vermag.[269]

Jedoch OLG Düsseldorf BeckRS 2003, 30324293:

Zitat

Soweit die Klägerin zum Beweis für ihre Version des Beratungsgespräches ihren Ehemann als Zeugen angeboten hat, kommt eine Zeugenvernehmung nicht in Betracht, da der Ehemann der Klägerin in prozessual zulässiger Weise von den Beklagten im Wege der Drittwiderklage in Anspruch genommen wurde. Er ist daher Partei des Rechtsstreites geworden, was seine Vernehmung als Zeugen ausschließt. Soweit die Klägerin in erster Instanz die Meinung vertreten hat, die Drittwiderklage sei unzulässig, weil sie lediglich erfolgt sei, um ihren Ehemann als Zeugen "auszuschalten", steht dies in der vorliegenden Fallkonstellation der Zulässigkeit der Drittwiderklage nicht entgegen. Denn die Zeugenstellung des Ehemannes ist erst durch die "taktische" Zession geschaffen worden, so dass die parteierweiternde Drittwiderklage nur den beweisrechtlichen Normalzustand wieder herstellt.

 

Rz. 118

Ist eine Partei in Beweisnot, kann ihr durchaus empfohlen werden, sich durch Abtretung der Forderung selbst die Zeugenstellung zu verschaffen. Eine Auffassung, die das für unzulässig hält, hat sich nicht dur...

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