Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 306
Hinsichtlich der Beweislast für einen Anspruch aus einem Verkehrsunfall kommt es darauf an, was der Geschädigte begehrt: Verlangt er Schmerzensgeld, stehen ihm nur §§ 823, 253 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Er muss also einen Sachverhalt darlegen und beweisen, aus dem sich ein Verschulden des Schädigers ergibt.
Ansprüche auf Ersatz sonstigen Schadens kann er auf § 7 Abs. 1 StVG stützen und braucht für seine Klage gegen den Fahrzeughalter nicht mehr zu beweisen, als bei dem Betrieb dessen Kfz geschädigt worden zu sein. Dieser Beweis ist in der Regel unproblematisch, wenn es zu einer Berührung des Geschädigten mit dem Kfz gekommen ist, dessen Halter in Anspruch genommen worden soll. Der Beweis ist aber dann schwer zu führen, wenn der Geschädigte z.B. behauptet, das Kfz sei mit unangemessener Geschwindigkeit an die bevorrechtigte Straße herangefahren worden und er sei aufgrund dessen bei seinem plötzlichen Ausweichmanöver ins Schleudern geraten. Es genügt dann nicht, dass das Kfz des Beklagten im Bereich des Unfallortes war, vielmehr muss der Kläger beweisen, dass der Betrieb des Fahrzeugs zum Entstehen des Unfalls beigetragen hat, d.h. dass es ohne den entsprechenden Betriebsvorgang nicht zu dem Unfall gekommen wäre.
Ist der Nachweis erbracht, dass der Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden ist, obliegt es dessen Halter, gemäß § 7 Abs. 2 StVG den Nachweis zu erbringen, dass der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Nach dem OLG München liegt höhere Gewalt bei einem außergewöhnlichen betriebsfremden, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführten und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbaren Ereignis vor, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht in Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht. Ist der Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG geführt, kann es auch keine Haftung des Fahrzeugfahrers nach § 18 StVG geben.
Rz. 307
Beispiele
1. |
Behauptet ein Kläger, sein Fahrzeug sei von dem Beklagten infolge dessen Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit beschädigt worden, muss der Beklagte zum Ausschluss seiner Haftung aus Betriebsgefahr beweisen, keine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben; bei der Abwägung der Unfallursächlichkeiten nach § 17 StVG ist aber nur von unstreitigen oder erwiesenen, also nur von feststehenden Tatsachen auszugehen; bleibt der Unfallverlauf ungeklärt, ist die von beiden Parteien jeweils zugestandene Fahrweise zugrunde zu legen. |
2. |
Stoßen zwei Fahrzeuge in geschlossener Ortschaft auf einer Kreuzung zusammen, indem ein Linksabbieger dem Entgegenkommenden die Vorfahrt nimmt, und macht der Linksabbieger zu seiner Entlastung geltend, der Entgegenkommende sei mit überhöhter Geschwindigkeit von 80 km/h gefahren, muss er für einen auf § 823 BGB gestützten Anspruch nicht nur die behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung beweisen, sondern auch, dass diese Verkehrsordnungswidrigkeit unfallursächlich war. Er muss also darlegen und gegebenenfalls beweisen, nicht plötzlich vor dem Entgegenkommenden abgebogen zu sein, so dass dieser bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit den Unfall hätte vermeiden können. |
Für einen Anspruch aus § 7 StVG genügt zunächst der Vortrag, durch das Fahrzeug des anderen zu Schaden gekommen zu sein. Für die nach § 17 StVG vorzunehmende Abwägung der Unfallursächlichkeiten ist aber lediglich von der vom Beklagten eingeräumten Geschwindigkeit von 50 km/h auszugehen, wenn der Kläger die überhöhte Geschwindigkeit nicht beweisen kann. Der Abwägung sind also die Vorfahrtsverletzung durch den Kläger, der nicht gelungene Nachweis der Unabwendbarkeit durch den Beklagten, aber keine höhere als die von ihm eingeräumte Geschwindigkeit zugrunde zu legen.
Generell gilt, dass derjenige, der Umstände vorträgt, die die Betriebsgefahr des anderen erhöhen, diese beweisen muss.
Für die in Betracht kommende Schadensquotierung bietet der Aufsatz von Nugel, DAR 2009, 105, gute Anhaltspunkte.