Rz. 279

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber nach den Beweislastgrundsätzen des Schadensrechts des BGB die Tatbestandsvoraussetzungen für den Haftungstatbestand darzulegen und zu beweisen. Die Haftung des Arbeitnehmers aus Vertragsverletzung gegenüber seinem Arbeitgeber ist weiter durch die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gemildert. Bei fahrlässigem Handeln haftet der Arbeitnehmer nur eingeschränkt, wenn es um Tätigkeiten geht, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet werden.[712] Eine Haftung bei leichter Fahrlässigkeit gibt es nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches nicht.[713] Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verteilen, wobei die Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen sind.[714] Zu diesen Gesichtspunkten gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahren der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgeltes, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Ferner gehören hierzu die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten. Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in aller Regel voll.[715] Es sind auch insoweit Ausnahmen möglich, vor allem, wenn ein Missverhältnis von Einkommen und Haftungsrisiko vorliegt.[716]

 

Rz. 280

Es liegt auf der Hand, dass bei einer derart ausdifferenzierten Haftungsregelung der Beweislastverteilung eine große Bedeutung zukommt.

Da es um Haftung aus einer Pflichtverletzung geht, käme eine Umkehr der Beweislast nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht, vgl. Rdn 251. In entsprechender Anwendung dieser Bestimmung hat das BAG[717] auch einen Fall der Haftung eines Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer entschieden. Für die Arbeitnehmerhaftung lehnte das BAG[718] damals eine entsprechende Anwendung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB (§ 282 BGB a.F.) aber ab. Die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung, die auf der Überlegung beruhe, dass der Arbeitgeber wegen seiner Organisationsmöglichkeiten ein erhöhtes Risiko tragen könne, würde teilweise wieder zurückgenommen, wenn die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Arbeitnehmerhaftung Anwendung fände.[719] Der Arbeitgeber musste mithin nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch das Verschulden des Arbeitnehmers beweisen.[720]

Im Wege der Schuldrechtsreform 2002 wurde diese Rspr des BAG durch § 619a BGB normiert. Die Vorschrift besagt, dass der Arbeitgeber Darlegungs- und Beweislast für den Verschuldensgrad des Arbeitnehmers trägt.[721] Diese Norm hält nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die herkömmliche Rechtsprechung des BAG zur Beweislast aufrecht. Der Arbeitgeber trägt also auch die Darlegungs- und Beweislast für den Verschuldensgrad des Arbeitnehmers und muss somit insgesamt nachweisen, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.[722]

 

Rz. 281

Wie schon für andere Sachbereiche dargestellt, vgl. § 2 Rdn 78 ff., schwächt die Rspr. die sich aus dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ergebenden Unzuträglichkeiten im Wege einer gestuften Darlegungslast wieder ab.[723]

BAG NJW 1999, 1049:[724]

Zitat

An die Darlegungs- und Beweislast dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber gelegen hat. Der Arbeitnehmer hat sich im Sinne einer gestuften Darlegungslast substantiiert zu äußern. Vom Arbeitgeber vorgetragene Indizien, die auf haftungsbegründendes Verschulden des Arbeitnehmers hinweisen, sind sorgfältig zu würdigen. Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer die alleinige Kontrolle über bestimmte Bereiche hatte, ist ein solches Indiz. Unterlässt es der Arbeitnehmer, sich zu den konkreten Umständen des Schadensfalles zu erklären, können daraus entsprechende Schlüsse gezogen werden. Bleibt streitig, ob bestimmte Indiztatsachen vorliegen oder nicht, geht dies zulasten des Arbeitgebers. Gleiches gilt für eventuelle Unklarheiten nach Abschluss der Würdigung aller Indizien und gegebenenfalls der erhobenen Beweise.

Die Umkehr der Beweislast gilt allerdings nicht für die Voraussetzung der Haftungsbeschränkung, d.h. die "betrieblich veranlasste Tätigkeit", vgl. Rdn 279. Der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass der Schaden bei einer solchen Tätigkeit entstanden ist.[725]

[713] BAG VersR 1988, 1306; BAG GesR 2011, 763, 765; BAG DAR 2011, 345, 347.
[714] BAG VersR 1988, 1306; BAG GesR 2011, 763, 765; BAG DAR 2011, 345, 347.
[715] BAG VersR 1988, 1306; BAG GesR 2011, 763, 765; BAG D...

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