Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 201
Privaturkunden beweisen lediglich, dass die in ihnen enthaltene Erklärung vom Aussteller stammt, § 416 ZPO, nicht die Richtigkeit des Inhaltes.
BGH NJW-RR 2015, 819:
Zitat
Die in einer notariell beglaubigten Urkunde niedergelegte Erklärung, einen Darlehensbetrag ausbezahlt erhalten zu haben, erbringt vollen Beweis nur für die Abgabe der Erklärung. Die Beweiskraft des § 416 ZPO erstreckt sich nicht auf die inhaltliche Richtigkeit. Ob die Angaben tatsächlich zutreffen, unterliegt der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO.
Voraussetzung für die Beweiskraft ist eine eigenhändige Unterschrift; sie muss echt sein. Wird die Echtheit bestritten, so hat derjenige die Echtheit der Urkunde zu beweisen, der sich auf sie beruft.
BGH JR 1996, 333, 334:
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Nachdem der Beklagte die Echtheit seiner unter der Privaturkunde befindlichen Unterschrift bestritten hat (§ 439 Abs. 2 ZPO), war die Echtheit der Urkunde zu beweisen (§ 440 Abs. 1 ZPO), und zwar von der Klägerin, die für die tatsächlichen Voraussetzungen des Klageanspruches beweisbelastet ist und die Urkunde zum Beweis der von dem Beklagten in Abrede genommenen Zahlungsverpflichtung vorgelegt hatte. Entscheidungserheblich ist nicht, ob die Unterschriftsfälschung, sondern umgekehrt, ob die Echtheit der Urkunde festgestellt werden kann.
Rz. 202
Da für die Echtheit der Unterschrift keine gesetzliche Vermutung gilt, ist insoweit der Vollbeweis erforderlich. Dieser Beweis kann mit allen zugelassenen Beweismitteln und zusätzlich mit der Schriftvergleichung gemäß § 441 ZPO geführt werden. Weigert sich der Prozessgegner, hinreichendes Material für eine Schriftvergleichung zur Verfügung zu stellen, so kann – nicht muss – das Gericht gemäß § 441 Abs. 3 S. 3 ZPO die Urkunde als echt ansehen; die Weigerung führt noch nicht zu einer Beweislastumkehr.
Steht die Echtheit der Unterschrift fest, so wird (widerlegbar) auch die Echtheit der darüberstehenden Schrift vermutet, § 440 Abs. 2 ZPO, nach dieser Vorschrift aber nur die Echtheit, nicht die Richtigkeit des Inhaltes. Dies gilt auch, wenn der Text über der Unterschrift von dem Aussteller weder geschrieben noch verfasst worden ist.
Räumt jemand ein, dass die Unterschrift unter einer Vertragsurkunde von ihm stammt, und macht er geltend, dass der darüber befindliche Text teilweise ergänzt worden sei, also eine Urkundenfälschung verübt worden ist, trifft ihn wegen der Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO für diese Behauptung die Beweislast.
Die Rspr. geht aber weiter und von der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Vertragsurkunden aus; vgl. dazu eingehender Rdn 205 ff.
Wird eine Urkunde vorgelegt, behandelt die Praxis ihren Inhalt, der nur Parteivortrag ist, als unstreitig, solange der Gegner seine Richtigkeit nicht ausdrücklich bestreitet, z.B. bei Vorlage einer Bankbescheinigung über die Kreditaufnahme; obwohl Urkunden zu Beweiszwecken in Urschrift vorzulegen sind, gilt das auch für Fotokopien.
Rz. 203
Der Urkundenbeweis wird durch Vorlage der Urkunde in der mündlichen Verhandlung geführt; es genügt nicht das Anerbieten, eine Urkunde vorzulegen.
§ 421 ZPO:
Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen des Gegners, so wird der Beweis durch den Antrag angetreten, dem Gegner die Vorlage der Urkunde aufzugeben.
Die Anordnung ist an die Voraussetzungen des § 425 ZPO geknüpft. Sie setzt einen zulässigen und begründeten Antrag voraus, erfolgt also nicht von Amts wegen.
Rz. 204
Verfasser der nachfolgenden Abhandlung ist der VRiOLG a.D. Oehlers; er hat sie sowohl der NJW wie auch der MDR vergeblich zur Veröffentlichung angeboten. Da sie sehr lesenswert erscheint, soll sie mit Zustimmung des Verfassers die Ausführungen zum Urkundenbeweis abschließen.