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Die Art und Weise der Anhörung von Zeugen wird durch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über den Zeugenbeweis (§§ 373401 ZPO) zwingend vorgegeben. Eine informatorische Anhörung sehen diese Vorschriften nicht vor. Sie kann nur insoweit erfolgen, als sich der Richter die Überzeugung vom Vorhandensein prozessrechtlich bedeutsamer Tatsachen von vornherein im Wege des Freibeweises verschaffen will, z.B. Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels.[310]

Gemäß § 396 Abs. 1 ZPO ist dem Zeugen – nach Ermahnung/Belehrung nach § 395 ZPO und der Vernehmung zur Person (§ 395 Abs. 2 ZPO) – zunächst Gelegenheit zu geben, im Zusammenhang zur Sache auszusagen.[311] Gegen diese eindeutige gesetzliche Regelung wird vom Gericht häufig verstoßen, indem der Zeuge von vornherein Satz für Satz befragt wird, und der Richter seine Antworten unmittelbar zu Protokoll diktiert.[312] Das erleichtert dem nicht wahrheitsliebenden Zeugen die Falschaussage, zumal er an der Fragestellung häufig erkennen kann, welche Antwort der von ihm favorisierten Partei günstig ist. Weiter erschwert sich das Gericht die Aufgabe Kriterien zur Glaubwürdigkeitsprüfung zu erlangen, wenn es den Zeugen in seiner freien Erzählung unterbricht.[313]

Der Grund für diese gesetzwidrige Art der Vernehmung liegt zumeist darin, dass der Richter nicht (mehr) über die nötige Konzentration verfügt, den Inhalt einer längeren Aussage zusammenfassend zu Protokoll zu diktieren. Ist das nicht der Grund, sollte der Anwalt das Gericht an die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form erinnern.

Diktiert der Richter das Beweisergebnis zu Protokoll, hat er vielfach schon das später abzusetzende Urteil vor Augen. Dabei besteht die – zumeist unbewusste – Neigung, Ungenauigkeiten und Widersprüche der Zeugenaussage bei der Protokollierung zu glätten. Dem sollte der Anwalt der davon betroffenen Partei entschieden entgegentreten. Und zwar nach Möglichkeit, bevor die Aussage im Protokoll festgehalten ist. Den unausbleiblichen Unwillen des Richters sollte er in Kauf nehmen. Eine entschlossene Wahrnehmung der Mandanteninteressen nötigt letztlich auch dem Richter mehr Respekt ab, als ein unterwürfiges Schielen auf seine Gunst. Nach der Protokollierung der freien Erzählung des Zeugen folgte gegebenenfalls die ergänzende Befragung des Zeugen durch das Gericht (§ 396 Abs. 2 ZPO).[314]

[311] Nach MüKo/Damrau/Weinland, § 396 ZPO Rn 2, soll der Zeuge sogar ein Recht auf Einhaltung dieser gesetzlichen Bestimmung haben.
[312] Vgl. auch Natter/Mohn/Hablitzel, NJW 2013, 1770 ff.
[313] Balzer/Walther, Beweisaufnahme, Rn 169.
[314] Balzer/Walther, Beweisaufnahme, Rn 172 ff.

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