Rz. 228

Der Verschuldensgrad der (groben) Fahrlässigkeit als Rechtsbegriff ist selbst nicht dem Beweis zugänglich; insoweit kann es nur um die Tatsachen gehen, die einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.[548] Um zu einem Fahrlässigkeitsvorwurf zu kommen bedarf es einer Bewertung des Sachverhalts: Einerseits muss für den Handelnden erkennbar gewesen sein, dass er eine Sorgfaltspflicht verletzt, andererseits muss die Tatbestandsverwirklichung vermeidbar gewesen sein. Der Beweisbelastete muss mithin die Erkennbarkeit eines Schadenseintritts bei Verletzung einer Sorgfaltspflicht (haftungsbegründende Kausalität) und die Vermeidbarkeit des schädigenden Erfolges beweisen, d.h. nachweisen, dass sein Schaden bei pflichtgemäßen Verhalten des Gegners nicht eingetreten wäre (haftungsausfüllende Kausalität).[549] Die Rechtsprechung wendet für die haftungsausfüllende Kausalität § 287 ZPO an, vgl. Rdn 36. Für die haftungsbegründende Kausalität gilt § 287 ZPO nicht.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem ungewöhnlichen Maße verletzt wird; wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.[550] Ein Gläubiger, der einen Schädiger wegen grober Fahrlässigkeit in Anspruch nehmen will, hat grundsätzlich einen Sachverhalt vorzutragen, der diesen Anforderungen genügt.[551] Ist die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt und steht das Verschulden des Schädigers aber bereits fest, so hat er sich zu entlasten, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben.[552]

Zur Frage des Anscheinsbeweises bei grober Fahrlässigkeit vgl. Rdn 52.

[548] BGH NJW 1953, 1139; BLP/Repgen, § 276 Rn 5.
[549] BLP/Repgen, § 276 Rn 5 ff.
[550] BGH NJW 1992, 3236; BGH NJW 2007, 2988, 2989.
[551] BLP/Repgen, § 277 Rn 2.
[552] BGH NJW 1967, 612.

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