Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 61
Bei absoluter alkoholbedingter Fahruntauglichkeit (1,1 ‰ Blutalkoholgehalt) spricht der Anschein für die Unfallursächlichkeit des Alkoholgenusses, wenn sich der Unfall unter Umständen zugetragen hat, die einem nüchternen Fahrer keine Schwierigkeiten bereitet hätten.
OLG Düsseldorf RuS 2008, 9:
Zitat
Bei absoluter Fahruntüchtigkeit spricht der erste Anschein dafür, dass der Unfall auf die Alkoholbeeinflussung zurückzuführen ist.
Nach dem BGH in VersR 1972, 292 spricht der Anscheinsbeweis für Alkoholursächlichkeit, wenn ein betrunkener Kraftfahrer eine Verkehrssituation nicht zu meistern weiß, die für einen nüchternen unproblematisch gewesen wäre.
OLG Köln VersR 1983, 293:
Zitat
Nach dem ersten Anschein ist eine Fehlleistung des Fahrzeugführers bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,14 Promille vor allem dann auf den Alkohol zurückzuführen, wenn andere Fahrer die Verkehrssituation gemeistert haben.
Ansonsten kann die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei der Abwägung nach § 17 StVG nur berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich in dem Unfall niedergeschlagen hat; es ist also unzulässig, die absolute Fahruntüchtigkeit eines Unfallbeteiligten bei der Abwägung der Schadensursächlichkeiten nach § 17 StVG zu berücksichtigen, wenn sich die Schadensursächlichkeit nicht – auch nicht über den Anscheinsbeweis – feststellen lässt; die Fahruntüchtigkeit muss sich als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen haben.
BGH NJW 1995, 1029, 1030:
Zitat
Zu Unrecht knüpfen demgegenüber […] [OLG Celle VersR 1988, 608 und OLG Hamm NZV 1990, 393] an die abstrakte Gefahrenerhöhung, nämlich an die durch die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit begründete Gefährdung an. Damit wird der Unterschied zwischen dem Haftungsgrund bei der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) und der Bestimmung der jeweiligen Haftungsanteile (§ 17 StVG) verkannt. Die von einem Kfz bei seinem Betrieb ausgehende Gefährdung bildet den Zurechnungsgrund für die Einstandspflicht des Halters nach § 7 StVG bzw. des Fahrers nach § 18 StVG, von der sie nur freigestellt werden, wenn sie den Beweis nach § 7 Abs. 2 StVG bzw. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG führen. Anders verhält es sich dagegen, wenn die Haftung dem Grund nach feststeht und es nunmehr um die Haftungsverteilung zwischen den am Unfall beteiligten Fahrzeughaltern bzw. -führern geht. In diesem Stadium müssen die Umstände, die das Gewicht der einzelnen Verursachungsbeiträge bestimmen und damit als betriebsgefahrerhöhende Faktoren den Haftungsanteil des jeweils anderen beeinflussen, bewiesen werden […]
Hiervon kann im Falle absoluter Fahruntüchtigkeit nicht abgewichen werden. Andernfalls müssten auch andere Umstände (etwa überhöhte Geschwindigkeit, mangelnde Beleuchtung, Ermüdung und dgl.) ohne Rücksicht darauf, ob sie als gefahrerhöhendes Moment im Unfall wirklich zum Tragen gekommen sind, im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG berücksichtigt werden. Das würde indes zu einer Haftungsverteilung nicht mehr nach Verursachungsanteilen, sondern nach bloßen Möglichkeiten einer Schadensentstehung führen.
Rz. 62
Verursacht ein Kraftfahrer einen Verkehrsunfall mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 1,1 ‰, ist von grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 81 VVG auszugehen; also Verlust des Anspruchs aus der Kaskoversicherung, Verlust des Anspruchs der Hinterbliebenen aus der Lebensversicherung.
Im Übrigen ist sehr streitig, ob es hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit überhaupt einen Anscheinsbeweis geben kann. Überwiegend wird der Anscheinsbeweis abgelehnt, vgl. auch Rdn 52.