Rz. 29
Vertragliche Hauptpflicht des Feuerversicherers ist es, dem Versicherungsnehmer bei Vorliegen eines eintrittspflichtigen Versicherungsfalles Versicherungsleistungen in dem vertraglich geschuldeten Umfang zu erbringen.
Rz. 30
Fraglich ist, ob dazu auch die Verpflichtung des Versicherers gehört, ein nach dem Eintritt eines Schadenfalls eingeholtes Sachverständigengutachten dem Versicherungsnehmer auf dessen Anforderung auszuhändigen. Von der mittlerweile wohl überwiegenden Rechtsprechung wird dies bejaht. Dem wird von der Versicherungswirtschaft entgegen gehalten, dass es sich bei dem Gutachten um ein Internum handele, das nicht für den Versicherungsnehmer bestimmt sei und deshalb nicht herausgegeben werden müsse. Jedenfalls dann, wenn sich der Versicherer im Rahmen der Regulierung der Ansprüche zum Nachteil des Versicherungsnehmers auf ein eingeholtes Gutachten beruft, wird man einen Anspruch auf Einsicht bzw. Aushändigung bejahen müssen. Macht ein Versicherer etwa Unterversicherung geltend, muss dem Versicherungsnehmer durch Herausgabe des Gutachtens die Möglichkeit eröffnet werden zu überprüfen, auf welcher Grundlage der Einwand des Versicherers erfolgt und ob der Einwand begründet ist. Dies gebietet die aus dem Versicherungsvertrag resultierende Treuepflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer. Da die Verpflichtung zur Offenlegung von Schadengutachten Ausfluss von Treu und Glauben ist, findet sie auch dort ihre Grenze, so z.B. bei überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Versicherers oder durchgreifenden Zweifel an der Redlichkeit des Versicherungsnehmers. Eine analoge Anwendung des § 202 VVG auf die Sachversicherung kommt nicht in Betracht.
Rz. 31
Im Bereich der vertraglichen Nebenpflichten des Versicherers besitzen Beratungspflichten besondere praktische Bedeutung. Dogmatische Grundlage der Beratungspflicht ist § 6 VVG. Die Beratungspflicht beinhaltet, den Versicherungsnehmer vor und insbesondere bei Abschluss des Versicherungsvertrages über sämtliche relevanten Fragen zur optimalen Risikoabsicherung zu informieren. Dabei hat der Versicherer bzw. der für ihn handelnde Versicherungsvertreter zu erforschen bzw. zu überprüfen, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer erkennbar falsche Vorstellungen über den Versicherungsschutz hat. Beim Ausfüllen des Antragsformulars hat der Versicherer bzw. sein Versicherungsvertreter durch Rückfragen dafür Sorge zu tragen, dass die vom Versicherungsnehmer im Antragsformular gemachten Angaben vollständig sind und der Wahrheit entsprechen.
Rz. 32
Der Versicherer muss sich schuldhafte Verletzungen der Beratungspflicht und das Wissen seines Versicherungsvertreters zurechnen lassen (§ 70 VVG). Es gelten insoweit die zu den §§ 43 bis 45 VVG entwickelten Grundsätze der Wissenszurechnung von Agenten ("Auge-und-Ohr-Rechtsprechung").
Rz. 33
Besondere praktische Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Problem der unzutreffenden Beratung über die Anpassung der Versicherungssummen zur Vermeidung einer Unterversicherung. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Versicherungsnehmers, den Versicherungswert einer zu versichernden Sache zu bestimmen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Der BGH führte aus, dass den Versicherer beim Abschluss von Gebäude- und Feuerversicherungsverträgen gesteigerte Hinweis- und Beratungspflichten treffen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bestimmung des richtigen Versicherungswertes mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist und die Bestimmung dennoch dem Versicherungsnehmer überlassen bleibt. Mit den Grundsätzen von Treu und Glauben ist es danach nicht vereinbar, eine problematische Bestimmung dem Versicherungsnehmer zu überlassen, ohne ihn deutlich darauf hinzuweisen, welche Gefahren er bei einer unzutreffenden Bezifferung des Versicherungswertes begründet und wie er dem begegnen kann. Im Einzelnen muss der Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer bei der Antragsannahme darüber aufklären, welche Werte für die Versicherung maßgebend sind und aufgrund welcher zeitlichen Wertbasis diese Werte zugrunde gelegt werden müssen.
Rz. 34
Eine entsprechende Beratungspflicht soll nach Auffassung des OLG Celle auch beim Abschluss eines Folgevertrages gelten. Dies wird man jedoch nur dann annehmen können, wenn der Versicherungsnehmer wie im Fall des OLG Celle bei Abschluss des Folgevertrages zu erkennen gibt, dass er anlässlich des Abschlusses des Folgevertrages eine Überprüfung der Versicherungssumme wünscht. Ohne konkreten Anlass für eine Überprüfung der Versicherungssumme wird sich der Versicherer darauf verlassen können, dass sich die Wertverhältnisse, die der ursprünglichen Bestimmung der Versicherungssumme zugrunde lagen, bis zum Abschluss des Folgevertrages nicht verändert haben.
Ein besonderer Beratungsbedarf kann sich auch aus einem unklar formulierten Antragsformular ergeben. Wird das versicherte Gebäude veräußert und übernimmt der Erwerber den bisherigen Versicherungsvertrag, i...