Rz. 312
Der Versicherungsnehmer verwirkt seinen Anspruch auf Versicherungsleistungen, wenn er versucht, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind (§ 14 Nr. 2 AFB 87/B § 16 Nr. 2 AFB 2010). Der Vorwurf der Arglist setzt keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers voraus. Es genügt bereits das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer schon dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Zur Verwirklichung des Tatbestandes kommt es nicht darauf an, ob die Täuschung durch wissentlich falsche Angaben oder das bewusste Täuschen des Versicherers bewirkt wird. Ausreichend ist, dass die Unrichtigkeit der Angaben oder das Missverständnis auf der Gegenseite zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird. Gleichfalls brauchen die unzutreffenden Angaben des Versicherungsnehmers weder den Grund oder den Umfang der Entschädigungspflicht noch den Schaden zu betreffen. Es genügt die Absicht, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Falsche Angaben gegenüber der Polizei stehen falschen Angaben gegenüber dem Versicherer gleich. Gleichfalls reicht es aus, einen Zeugen erfolgreich zu falschen Angaben zu veranlassen.
Rz. 313
Im Bereich der Feuerversicherung und anderen, in der Sache deckungsgleichen Sparten der Sachversicherung wurde eine arglistige Täuschung unter anderem in folgenden Fällen bejaht:
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unrichtige Angaben zu anderen Versicherungen, |
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unrichtige Angaben zu Vorschäden, |
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unrichtige Angaben zur Vermögenslage, |
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unrichtige Angaben über die Eigentumslage an Hausrat, |
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unrichtige Angaben über die Anschaffung bereits verbrannter Gegenstände, |
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Vorlage fingierter Rechnungen, |
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Vorlage vordatierter Rechnungen, |
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Vorlage einer inhaltlich unrichtigen Kaufbestätigung, |
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Vorlage eines Schriftstücks als Quittung, das tatsächlich keine Quittung ist, |
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bewusst überhöhte Berechnung des entgangenen Gewinns, |
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falsche Angaben über den Wiederaufbau abgebrannter Gebäude, |
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Vorlage rückdatierter Einkaufsbelege, |
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Täuschung über tatsächliche Schadenhöhe, |
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bewusst zu klein angegebene Wohnfläche bei Verzicht des Versicherers auf Einwand der Unterversicherung, |
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bewusst falsche Behauptung, das Kündigungsschreiben des Versicherers nicht erhalten zu haben. |
Rz. 314
Unter anderem in folgenden Fällen wurde eine arglistige Täuschung verneint:
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Verschweigen einer für den Versicherungsfall nicht ursächlichen Gefahrerhöhung, |
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unzutreffende Auskunft über vorgenommene Pfändung, |
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vorsätzlich falsche Angaben gegenüber der Polizei bei zutreffender Schadenmeldung gegenüber dem Versicherer. |
Rz. 315
Gemäß § 14 Nr. 2 Abs. 2 AFB 87/B § 16 Nr. 2 AFB 2010 gelten die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer als erwiesen, wenn eine Täuschung durch rechtskräftiges Strafurteil wegen Betruges oder Betrugsversuchs festgestellt wurde.
Rz. 316
Als Rechtsfolge einer arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers entfällt jede Entschädigungspflicht des Versicherers. § 14 Nr. 2 AFB 87/B § 16 Nr. 2 AFB 2008 enthält deshalb einen Verwirkungstatbestand mit Strafcharakter. In seltenen Ausnahmefällen wird hiervon unter Billigkeitsgesichtspunkten (§ 242 BGB) abgewichen, z.B. wenn die unwahren Angaben sich auf besonders geringe Werte beziehen und der Versicherungsnehmer bei Verlust seiner gesamten Ansprüche seine Existenz verlieren würde.
Darüber hinaus soll der Versicherer sein Recht auf das Berufen des Verwirkungstatbestandes verlieren, wenn er seinerseits in schwerwiegendem Maße gegen Treu und Glauben verstoßen hat.
Hinweis
Zu beachten ist, dass annähernd jede arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers eine vorsätzliche Verletzung der von ihm zu beachtenden Aufklärungsobliegenheit beinhaltet.