Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der arglistigen Täuschung i.S.v. § 18 Nr. 2 VGB 62 umfasst auch den Versuch der arglistigen Täuschung.
2. Wird dem Versicherer vom Wissenserklärungsvertreter ein Sachverständigengutachten mit der Bitte um entsprechende Regulierung eines Brandschadens vorgelegt, obwohl ihm bewusst ist, dass das Gutachten bei der Schadensberechnung zum Teil nicht brandbedingte Kosten enthält, ohne dies offenzulegen, ist versuchte arglistige Täuschung jedenfalls durch Erklärung "ins Blaue hinein" anzunehmen.
Normenkette
VGB 62 § 18 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 06.05.2009; Aktenzeichen 20 O 437/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.5.2009 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des LG Köln - 20 O 437/06 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen als Erben des am 19.7.2005 verstorbenen Herrn H K aufgrund der bei der Beklagten abgeschlossenen Gebäudeversicherung auf der Grundlage der VGB 62 Entschädigung wegen eines Brandes vom 29.12.2004 im Hause ... in ...
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen 11.600 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.4.2006 zu zahlen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass nach den Umständen Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung vorliege. Außerdem beruft sie sich auf Obliegenheitsverletzungen sowie Gefahrerhöhung und trägt Einwendungen zur Schadenshöhe vor. Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.
1. Den Klägerinnen steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Entschädigung nach den §§ 1a), 3 Nr. 1, 7, 19 VGB 62 zu.
a) Dass der Versicherungsfall Brand vorgelegen hat, ist nicht im Streit. Es besteht jedoch Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung.
b) Nach § 18 Nr. 2 VGB 62 ist der Versicherer leistungsfrei, wenn sich der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht hat. Der Begriff der arglistigen Täuschung im Sinne des Bedingungswerkes umfasst auch den Versuch der arglistigen Täuschung (RGZ 124, 343; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., X III 1; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 18 VGB 62 Rz. 2; § 16 AFB 30 Rz. 10).
Eine arglistige Täuschung durch Vorlage irreführender Belege und Unterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer bei dem Versicherer anlässlich der Regulierungsverhandlungen einen unrichtigen Eindruck hervorrufen will (vgl. OLG Köln, r+s 2006, 421; VersR 2003, 101; VersR 2001, 893).
Wenn ein Sachverständiger eingeschaltet ist, können sowohl falsche Angaben ggü. dem Gutachter Täuschung sein, um den Versicherer zu beeinflussen, als auch das bewusste Herbeiführen einer Täuschung durch den Sachverständigen (vgl. Martin, a.a.O., X III 9).
Gibt der Versicherungsnehmer insoweit objektiv falsche Erklärungen "ins Blaue hinein" ab, so ist von arglistiger Täuschung auszugehen (vgl. OLG Oldenburg r+s 1993, 428; Kollhosser, a.a.O., § 18 VGB 62 Rz. 2). Maßgebend ist, ob Beweisschwierigkeiten vermieden werden sollen, um die Regulierung zu beschleunigen oder ob allgemein auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss genommen werden soll, wobei es auf Bereicherungsabsicht nicht ankommt (vgl. OLG Köln VersR 2004, 907; Knappmann, a.a.O., § 22 VHB 84 Rz. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski, HK-VVG § 16 VHB 2008 Rz. 8, 9). So liegt es hier.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall auf die Person des Herrn L T abzustellen, der von den Erben mit der Schadensabwicklung und zur Abgabe von Erklärungen für den Versicherungsnehmer betraut war. Er ist sog. Wissenserklärungsvertreter (vgl. BGH VersR 1993, 960). In diesem Fall wird eine Täuschung nach § 166 BGB dem Versicherungsnehmer zugerechnet. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen X H (Bl. 2 ff. AH) ergibt, ist Herr T Auftraggeber des Gutachtens gewesen. Er hat auch die "Dokumentation und Kostenzusammenstellung des Brandschadens", die mit einer Summe von 46.400 EUR endet, an die Beklagte übersandt und gleichzeitig "um entsprechende Regulierung" gebeten.
Dass diese Dokumentation, die Brandschäden in Ober- und Erdgeschoss beschreibt und bewertet, zum Teil inhaltlich falsch ist, hat die Vernehmung der Zeugen vor dem LG ergeben. Im Erdgeschoss war nämlich erkennbar kein Brandschaden in Form von Ruß oder Löschwasser vorhanden. Vielmehr zeigten sich deutlich im ganzen Haus Spuren von Verwahrlosung, weil der frühere Versicherungsnehmer und Erblasser infolge einer psychischen Erkrankung die Räume hatte verkommen lassen. Die Kostenzusammenstellung über brutto 46.400 EUR betrifft dementsprechend in unzutreffender Weise auch Schäden im ...