Rz. 306
Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Grade außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste. Erforderlich ist ein objektiv grober und subjektiv unentschuldbarer Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt. Vorausgesetzt wird hierfür grundsätzlich ein aktives Tun des Versicherungsnehmers. Allerdings kann unter besonderen Voraussetzungen auch ein Unterlassen ausreichen. Tritt der Versicherungsfall ein, weil der Versicherungsnehmer trotz dringender Gefahr die ihm möglichen, geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des versicherten Gegenstandes nicht ergriffen hat, so hat er den Versicherungsfall durch Unterlassen "herbeigeführt", denn er hat das ursächliche Geschehen in der Weise beherrscht, dass er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zuließ, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz des versicherten Interesses in der Hand hatte und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange davon ebenso Gebrauch machen konnte und sollte, wie eine nicht versicherte Person. Um den Versicherungsschutz andererseits nicht unangemessen zu beschränken, muss der Versicherungsnehmer das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt haben, wobei notwendig und ausreichend die Kenntnis von Umständen ist, aus denen sich ergibt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist.
Rz. 307
Die Beweislast für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer trägt der Versicherer. Anders als im Bereich des Vorsatz-Nachweises kommt dem Versicherer hierbei jedoch auch der Anscheinsbeweis zugute. So kann sich aus dem Schadenssachverhalt ein nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergeben, der zu dem Schluss führt, dass aus der Brandentstehung auf die Verursachung des Brandes durch eine besonders brandgefährliche Tätigkeit (z.B. die Ausführung von Schweiß- oder Flexarbeiten) geschlossen werden kann.
Rz. 308
In welchen Fällen der Schadenfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Konkreten Aufschluss über den Umfang des vom Versicherungsnehmer zu beachtenden Sorgfaltsmaßstabes gibt allenfalls die hierzu ergangene Kasuistik. Danach wurde grobe Fahrlässigkeit im Bereich der Feuerversicherung unter anderem in folgenden Fällen bejaht:
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Entleeren eines Aschenbechers in einer Gaststätte in einen Plastikeimer bzw. Plastiksack, |
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Entleeren eines Holzkohlegrills in eine Papptonne, |
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Umfüllen von Benzin in der Nähe gleichzeitiger Schweißarbeiten, |
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Verlegen eines ungeschützten Ofenrohres durch eine Holzvertäfelung, |
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Aufhalten mit einer brennenden Zigarette in der Nähe eines offenen Benzinkanisters, |
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Schweißarbeiten in einer Garage, |
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Rauchen im Bett und alkoholisiert, |
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unbeobachtetes Propangasfeuer unter einem vorschriftswidrig installierten Kessel, |
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Entfernen eines Wandanstrichs mit einem Bunsenbrenner in der Nähe von Styropor und Pappe, |
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Aufstellen von brennenden Wachskerzen auf einem Holzfußboden, |
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unbeaufsichtigtes Brennenlassen von Kerzen, etwa am Adventskranz, |
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Zubettgehen, ohne sich zuvor davon vergewissert zu haben, ob die vom Versicherungsnehmer entzündete Kerze auch tatsächlich gelöscht wurde, |
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Lagerung brennbarer Gegenstände in Ofennähe, auf einem Saunaofen, |
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Lötarbeiten in der Nähe eines Deckendurchbruchs aus Holz, |
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Errichtung eines Rauchabzugrohres ohne Hinzuziehung eines Schornsteinfegers, |
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Arbeiten mit einem Schutzgasschweißgerät an einem Pkw mit Tankinhalt, |
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auch nur kurzzeitiger unbeaufsichtigter Betrieb eines Lasergerätes, |
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Brand aufgrund von selbstentzündetem Fett in einer Fritteuse in einem Imbiss, |
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unbeaufsichtigtes Erhitzen von Öl/Fett in einer Pfanne auf einem Küchenherd durch einen Koch, |
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Benutzung einer Winkelschleifmaschine in einer Scheune, |
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Benutzung eines Trennschleifers in einer Garage in der Nähe zum gefüllten Tank und nahe der Kraftstoffleitung. |
Rz. 309
Unter anderem in folgenden Fällen wurde grobe Fahrlässigkeit im Bereich der Feuerversicherung verneint:
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Umfüllen von Flüssiggas im Keller eines Wohnhauses, |
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Schweißarbeiten, |
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Lötlampe zum Auftauen, |
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Abstellen eines Pappkartons auf eingeschalteter Herdplatte, |
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Brand aufgrund selbstentzündeten Fetts in einer Fritteuse in privaten Wohnräumen, |
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Heuselbstentzündung, |
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mangelhafte Elektroinstallation in einer Gaststätte, |
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leerstehendes Gebäude, |
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unterlassenes Auswechseln des Türschlosses eines Ladenlokals nach Verlust von Schlüsseln, |
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vorsichtige Lagerung von brennbaren Materialien im Kamin, |
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unaufmerksame Bewachung eines vom Versicherungsnehmer vorsätzlich in Brand gesteckten Gebäudes, |
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zu geringer Seitenabstand zwischen Feuerstätte un... |