Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 76
Bei langfristigen Vermögensanlagen hat der Testamentsvollstrecker stets das Inflationsrisiko im Auge zu behalten.
Was verstehen wir unter Inflation und was macht sie so gefährlich? Wir sprechen von Inflation bei einem stärkeren Anstieg der Geld- gegenüber der Gütermenge, welche über den Produktionsausbau und einer tolerablen Größe von bis zu 2,0 % p.a. hinausgeht. Der nominale Geldmengenanstieg ist zunächst gar nicht das Problem, sondern eher die Tatsache, dass diese Geldmenge nicht gespart, sondern in den Gütermarkt investiert werden möchte und dort auf eine weniger flexible Angebotsausweitung triff. Bei der Messung der Inflation beziehen wir uns prima vista i.d.R. auf den Verbraucherpreisindex als Spätindikator. Dagegen nimmt der Erzeugerpreisindex frühere Produktionsstufen in den Blick, denn nicht immer kommen erhöhte Erzeugerpreis 1:1 beim Endverbraucher an oder/und gehen als Teilbereich in hoch arbeitsteiligen Produktionsprozessen anteilig geringer ein. Die Inflationsrate eines BIP umfasst dann neben den Konsumausgaben auch die Investitionsausgaben. Aktuell bewegen wir uns im Frühjahr 2022 hinsichtlich der Inflationsrate bei Verbraucherpreisen auf einem Niveau, welches wir letztmalig bei der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten erlebten. Damals bildete sich temporär eine inverse Zinsstruktur heraus (Zinssatz für kurze Laufzeit liegt über den für lange Laufzeiten) und ist momentan nicht diskutabel, eher spreizt sich die normale Zinsstrukturkurve und überschreitet die Nulllinie ab einem mittelfristigen Anlagezeithorizont.
Rz. 77
Bei der Frage nach den Ursachen für die Inflation verweisen Volkswirte auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie/der Lockdowns mit den gestörten Lieferketten weltweit gepaart mit einem Bauboom und zuletzt den Krieg in der Ukraine. Mit Blick auf die vergangenen zwei Dekaden kommt noch eine weitere Begründungslinie in den Blick.
Im Zuge der stark gestiegenen Staatsverschuldung in den westlichen Industriestaaten kommt bei vielen Marktteilnehmern die Befürchtung auf, dass sich die Staaten in einer konzertierten Aktion über eine tolerierte Geldentwertung entschulden (Rückzahlung guten Geldes mit schlechtem). Erforderlichenfalls ist in inflationsgeschützte Anleihen umzuschichten. Im Unterschied zu klassischen Wertpapieren erhält der Anleger bei dieser Anlageform sowohl die Zins- als auch die Tilgungszahlung um die Inflationsentwicklung bereinigt. In den Anleihebedingungen sollte die Bezugsgröße identifiziert und bewertet werden (z.B. Warenkorb des statistischen Bundesamtes ohne Tabakwaren und Mineralölprodukte). Ferner sollte kritisch überprüft werden, welche Zahlungsströme inflationsbereinigt zurückgezahlt werden: Zins und Tilgung oder nur Zinsen. Viele Bankenprodukte beziehen den Inflationsschutz nur auf die Zinszahlungen. Bei Staatsanleihen werden i.d.R. Zinsen und Tilgung inflationsbereinigt gezahlt. Die Sorgen gipfeln – teilweise verdeckt formuliert – in der Befürchtung, dass es zu einer Währungsreform kommt. Diese stellt in den Überlegungen der Investoren eine Enteignung der Sparer und Bereicherung der Schuldner dar. Für die letzte Währungsreform in der Bundesrepublik Deutschland bleibt zu konstatieren, dass die unternehmerischen und privaten Schulden weniger als der Staat vom Währungsschnitt profitierten, denn im Gegensatz zum Fiskus mussten Unternehmen und Private eine Kreditgewinn- und Hypothekenminderungsabgabe leisten (vgl. Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Lastenausgleichsgesetzes vom 14.8.1952).
Rz. 78
Das Thema Inflation gewinnt seit dem 2.11.2021 in Europa und weltweit an Bedeutung. Es schien lange Zeit aus dem Blick geraten zu sein. Wenn die Steigerung der Geldmenge stärker erfolgt als die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts, sprechen wir von einer Inflation. Über eine Dekade entlud sich die exorbitant gestiegene Geldmenge M3 infolge einer politisch gewollten und notenbankseitig unterstützen "Politik des billigen Geldes" über gestiegene Vermögenspreise wie Rentenpapiere und Immobilienpreise, nicht jedoch auf dem Aktienmarkt. Das sieht man gut an der Entwicklung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses im Zeitablauf (Renten: 100/Rendite zehnjähriger Anleihe z.B. 0,7 % = 142 ggü. langjährigem Mittel von 25). Auch die Immobilienpreise erklommen nicht nur in den 1-A-Lagen der Großstädte immer neue Höchststände und drückten die Mietrendite auf unter 2 % im wohnwirtschaftlichen und unter 5 % im gewerblichen Sektor.
Im Rahmen der Ukraine Krise incl. der fragilen Lieferketten, der Dekarbonisierung und Deglobalisierung der Handelsbeziehung sprang die Inflationsrate auf bis zu 7 %. Preistreiber sind aktuell die erhöhten Energiekosten und Grundnahrungsmittel. Die weitere Entwicklung könnte hier dem Anleger nochmals vor Augen führen, dass Rentenanlagen obsolet erscheinen und fremdfinanzierten Immobilieninvestitionen einen negativen cash-flow des Investments produzieren. Die Folgenkette lässt sich dann weiter denken über mögliche Bewertungsabschläge und schließlich R...