Rz. 46
Zur außergerichtlichen Beratung eines Versicherungsnehmers bei Abschluss oder zur Geeignetheit bestehenden Versicherungsschutzes ist auf die gebotene Vorsicht hinzuweisen (vgl. § 4 Rdn 43).
Rz. 47
Versicherer bearbeiten die Angelegenheiten außergerichtlich meist selbst.
Anders ist es bei Versicherungsnehmern, denen frühzeitige anwaltliche Hilfe häufig helfen kann. Es gibt mehrere Varianten, in denen der Versicherungsnehmer auf den Anwalt zukommen kann. Zum einen nach Inanspruchnahme durch den Geschädigten, also hinsichtlich des Haftpflichtanspruches und zum anderen mit Blick auf den Deckungsanspruch, etwa weil der Versicherungsnehmer nicht weiß, wie er mit seinem Versicherer umgehen soll oder weil sein Haftpflichtversicherer für einen gemeldeten Haftpflichtschaden nicht eintreten will. Es kann auch vorkommen, dass beides problematisch ist und der Anwalt umfassend beraten und ggf. vertreten soll. Meldet sich eine nur mitversicherte Person (vgl. Rdn 28), ist an die Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers zu denken.
Rz. 48
Auch wenden sich häufig Geschädigte an einen Rechtsanwalt, weil der Haftpflichtversicherer des Schädigers seine Eintrittspflicht aus haftpflichtrechtlichen oder aber aus deckungsrechtlichen Erwägungen ablehnt.
Die nachfolgenden Hinweise können in allen Varianten eine Rolle spielen und auch auf Versichererseite für mögliche Einwände relevant sein.
Rz. 49
Wendet sich ein Mandant an den Anwalt, weil ein Dritter Schadenersatzansprüche gegen ihn behauptet, muss der Anwalt immer eine bestehende Haftpflichtversicherung erfragen. Verfügt der Mandant über eine solche, ist auf die umfassende Regulierungsvollmacht des Haftpflichtversicherers (vgl. Rdn 35) hinzuweisen. Streitig ist, ob diese erlischt, wenn der Versicherer sich auf Leistungsfreiheit beruft. Das Problem stellt sich bei noch nicht geklärter Leistungsfreiheit und insbesondere, wenn der Versicherer z.B. wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG teilweise leistungsfrei ist.
Rz. 50
Der Versicherungsnehmer muss seinem Haftpflichtversicherer gegenüber eine Schadensmeldung abgeben – siehe hierzu die Ausführungen zu dem entsprechenden Musterformular (siehe Rdn 66 ff.). Er sollte keine eigene Korrespondenz zum Schadensfall mit dem Geschädigten führen und jeglichen Schriftverkehr sofort an seinen Versicherer weiterleiten. Zum einen genießt er schon für die nötigen Prüfungen zum Haftpflichtanspruch Versicherungsschutz (vgl. Rdn 30 f.). Zum anderen vermeidet der Versicherungsnehmer etwaige rechtsverbindliche Erklärungen im Haftpflichtverhältnis, für die der Versicherer im Deckungsverhältnis nicht aufkommen muss.
Rz. 51
Zwar darf nach § 105 VVG ein Anerkenntnis der Haftpflichtforderung durch den Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz nicht aus rein formalen Erwägungen ausschließen. Allerdings sind nach A1–4. 1. Abs. 2 S. 2 AVB (Ziff. 5.1 Abs. 2 S. 2 AHB) für den Versicherer eigenmächtige Anerkenntnisse (dazu zählt auch die Zahlung!) oder auch Vergleiche des Versicherungsnehmers nur verbindlich, wenn sie der tatsächlichen Rechtslage zum Haftpflichtanspruch entsprechen.
Beispiel
Der Versicherungsnehmer verletzt während seiner Arbeitszeit fahrlässig einen seiner Kollegen, der daraufhin eine Sprunggelenksfraktur erleidet. Der Versicherungsnehmer erklärt noch am Unfallort, er werde natürlich für ein Schmerzensgeld aufkommen.
Aufgrund dieses Anerkenntnisses haftet er (ungeachtet möglicher Kondiktionsansprüche gem. §§ 812 ff. BGB) gegenüber dem Geschädigten. Tatsächlich aber würde er kein Schmerzensgeld schulden, weil ein solcher Anspruch bei Arbeitsunfällen unter die Haftungsprivilegierung des § 105 SGB VII fiele.
Anders wäre es, wenn sich der Unfall in der Freizeit ereignet hätte. Der Versicherungsnehmer wäre dann auch ohne das Anerkenntnis eintrittspflichtig.
Rz. 52
Nicht selten will ein Versicherer auch eine Haftpflichtforderung eines Dritten befriedigen, weil er sie für berechtigt hält. Bisweilen möchte der Versicherungsnehmer (in Unkenntnis der Sach- und Rechtslage oder weil eine Selbstbeteiligung anfällt) das gerade nicht und widerspricht der Zahlung. Der Anwalt muss seine Partei dann auf die Widerstandsklausel des A1–5.8 AVB (Ziff. 6.8 AHB) hinweisen. Etwaigen durch den Widerstand des Versicherungsnehmers entstehenden Mehraufwand hat der Versicherer nicht zu tragen.
Rz. 53
Verweigert der Versicherer den Ausgleich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche, wird er dies begründen. Der Laie wird den Unterschied zwischen einer Ablehnung aus deckungs- oder haftpflichtrechtlichen Erwägungen unter Umständen nicht verstehen. Daher sollte der Rechtsanwalt vorbereitet sein.
Rz. 54
Der Versicherungsnehmer könnte den Anwalt ansprechen, weil sein Haftpflichtversicherer dem Geschädigten gegenüber die Zahlung verweigert und sich dieser nunmehr an den Versicherungsnehmer wendet. Stellt sich heraus, dass der Versicherer lediglich den Schadensersatzanspruch verneint hat, kann der Rechtsanwalt den ...