Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 48
Aus der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB folgt nach allgemeiner Auffassung die Pflicht des HV, sich während der Vertragslaufzeit sämtlicher Wettbewerbshandlungen zu enthalten. Sie gilt nach Auffassung des BGH auch ohne entsprechende Regelung im Vertrag. Der HV ist verpflichtet, alles zu unterlassen, was eine Schädigung der Interessen des Unternehmers herbeiführen könnte. Dies bedeutet i.d.R., dass der HV keine Unternehmen vertreten darf, die mit seinem Auftraggeber in Wettbewerb stehen. Es muss mithin eine Wettbewerbssituation bestehen, d.h. der Unternehmer und ein anderes Unternehmen müssen denselben Abnehmerkreis bedienen, eine gleichartige Qualität liefern und der Verwendungszweck der Ware muss sich grundlegend überschneiden. Ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht, beurteilt sich aus Sicht der Kunden, da in diesem Fall der Wettbewerb des HV dem Unternehmer schaden kann. Die Wettbewerbstätigkeit des HV muss geeignet sein, den Absatz der vom Unternehmer vertriebenen Waren zu beeinträchtigen.
Rz. 49
Ein Wettbewerbsverbot ist stets kartellrechtlich zu untersuchen. Denkbar ist, dass es eine missbräuchliche Wettbewerbsbeschränkung darstellt, und zwar dann, wenn es über die aus dem Handelsvertretervertrag folgende Interessenwahrnehmungspflicht hinausgeht.
Rz. 50
Sofern ein HV als Mehrfirmenvertreter auftritt, schuldet er jedem seiner Unternehmer die Wahrung derer Interessen. Dies kann in Einzelfällen zu grundlegenden Interessenkonflikten führen. Der HV sollte insofern bei Aufnahme einer Konkurrenzvertretung die Zustimmung aller Unternehmer einholen. Anderenfalls gilt das sog. Prioritätsprinzip.
Rz. 51
Die Übernahme der Vertretung eines Konkurrenten durch den HV stellt bereits einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar, die reine Kontaktaufnahme indes noch nicht. Jedoch soll bereits ein Angebot auf Übernahme der Tätigkeit für einen Konkurrenten durch den HV ohne Zustimmung des Unternehmers, für welches er bisher tätig ist, für einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot ausreichen.
Rz. 52
Als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kommt ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers gem. § 89a Abs. 2 HGB sowie §§ 276, 280 BGB in Betracht. Zudem setzt sich der HV dem Risiko einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund seitens des Unternehmers aus, da Wettbewerbsverstöße die Vertrauensbasis des Vertragsverhältnisses unheilbar zerstören.
Rz. 53
Die Hilfe eines Versicherungsvertreters bei der Fertigung des Kündigungsschreibens durch den Versicherungsnehmer stellt für sich betrachtet kein wettbewerbswidriges Verhalten des Versicherungsvertreters dar. Treten jedoch weitere Umstände hinzu, etwa die Förderung des Vertragsabschlusses mit einem Wettbewerber, darf der Unternehmer auch nach Zahlung des Ausgleichs zumindest einen Teil zurückfordern – unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit.