Rz. 5

Bei Vertragsverletzungen bildet das der übernommenen Pflicht entsprechende Interesse des Vertragspartners das geschützte Rechtsgut. Der Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Pflicht, durch den der Partner so betroffen wird, dass für ihn nachteilige Folgen eintreten können, ist daher der nach § 286 ZPO zu beweisende Haftungsgrund.[4]

 

Rz. 6

Alle weiteren Tatsachen, insb. die Feststellung, dass infolge der Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, gehören zur haftungsausfüllenden Kausalität. Deshalb wird für den Beweis, dass die Vertragsverletzung zum Schaden geführt hat, nach ständiger Rechtsprechung die Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO herangezogen.[5]

 

Rz. 7

Zur haftungsausfüllenden Kausalität zählt auch die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Beratung verhalten hätte.[6] Dies ist schon deshalb berechtigt, weil die Handlung des Mandanten – etwa mit Abgabe einer rechtlich ungünstigen Willenserklärung – bereits unmittelbar den Schaden herbeiführen kann. Abgesehen davon lässt sich für die Zuordnung zu § 287 ZPO zusätzlich ins Feld führen, dass allein die tatsächlichen Geschehnisse exakter Feststellung zugänglich sind, bei Würdigung des Ursachenzusammenhangs zwischen Pflichtverstoß und dem eingetretenen Schaden dagegen hypothetische Erwägungen notwendig werden. Diesen aus der Art des Schadens herrührenden Beweisschwierigkeiten wird nur ein Verfahren, wie es in § 287 Abs. 1 ZPO vorgesehen ist, gerecht.[7]

 

Rz. 8

Nach § 287 ZPO reicht für die richterliche Überzeugung eine überwiegende, auf gesetzlicher Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus.[8] Dies wirkt sich auch auf die Darlegungslast des Geschädigten aus. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten. An die Darlegung eines hypothetischen Geschehens dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.[9] Die Frage nach dem hypothetischen Verhalten des Mandanten ist nach der Interessenlage im Zeitpunkt der Beratung zu beantworten; spätere Erkenntnisse sind insoweit nicht maßgeblich.[10] Lässt der Kläger offen, für welche von mehreren Vorgehensweisen er sich bei vertragsgemäßer Belehrung entschieden hätte, so ist die notwendige Schadenswahrscheinlichkeit nur zu bejahen, wenn diese sich für alle in Betracht zu ziehenden Ursachenverläufe ergibt.[11] Genügt das Vorbringen des Klägers den danach zu stellenden Anforderungen, so kann die Frage, wie sich der Mandant bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, auch durch Vernehmung des Klägers als Partei nach § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO geklärt werden.[12]

 

Rz. 9

Nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO bleibt es dem Ermessen des Gerichts überlassen, inwieweit es eine beantragte Beweisaufnahme durchführt. Das Gericht überschreitet jedoch in aller Regel die Grenzen seines Ermessens, wenn es davon absieht, die für zentrale Haupttatsachen seines bestrittenen Vorbringens vom Kläger benannten Zeugen zu vernehmen. Die gesetzliche Regelung rechtfertigt es nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage den angebotenen Zeugenbeweis zu übergehen und sich mit der Würdigung von Indiztatsachen zu begnügen.[13] Hängt etwa der geltend gemachte Anspruch allein davon ab, wie sich ein Dritter bei zutreffender Beratung des Anwalts verhalten hätte, so liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn der als Zeuge benannte Dritte nicht vernommen wird, obwohl keine anderen gleichwertigen Beweismittel zur Verfügung stehen.[14] Wird ein entsprechender Verstoß des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß gerügt, kann dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nach § 544 Abs. 7 ZPO wegen Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör führen.[15]

[4] BGHZ 4, 192, 196; BGH, NJW 1983, 998; BGH, WM 1993, 1735, 1738; BGH, NJW 2004, 444.
[5] BGHZ 4, 192, 196; 58, 343, 349 = NJW 1972, 1422, 1423; BGHZ 84, 244, 253 = NJW 1982, 2238, 2240; BGH, NJW 1993, 3073, 3076; BGH, WM 2000, 197, 198; BGH, WM 2000, 1351, 1352; BGH, NJW 2000, 1572, 1573; BGH, NJW 2004, 444; BGH, NJW 2004, 1521, 1522.
[6] BGHZ 129, 386, 399 = NJW 1995, 2108, 2111; BGH, NJW 1988, 200, 204; BGH, NJW 1992, 2694, 2695; BGH, WM 1993, 420, 426; BGH, NJW 1993, 1320, 1322; BGH, NJW 1995, 449, 451; BGH, WM 2004, 472, 474; BGH, NJW 2004, 444; BGH, NJW 2004, 1521, 1522; BGH, WM 2005, 2110, 2111; BGH, 18.5.2006 – IX ZR 53/05, WM 2006, 1736, 1737 Rn 9; BGH, 5.2.2009 – IX ZR 6/06, WM 2009, 715, 716 Rn 7.
[7] Vgl. BGH, NJW 1983, 998; BGH, NJW 1993, 3073, 3076.
[8] BGH, WM 2000, 197, 198; BGH, WM 2000, 1351, 1352; BGH, NJW 2004, 444, 445; BGH, NJW 2004, 1521, 1522; BGH, 19.1.2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927, 930.
[9] BGH, WM 2000, 197, 198; BGH, 19.1.2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927, 930 Rn 25; BGH, 23.11.2006 – IX ZR 21/03, WM 2007, 419, 421 Rn 21.
[10] BGH, 23.11.2006 – IX ZR 21/03, WM 2007, 419, 421 Rn 26 = NJW-RR 2007, 569, 571.
[11] BGH, 19.1.2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927; BGH, 16.7.2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447.
[12] BGH, WM 2004, 472, 474.
[13] BGH...

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