Rz. 141
Die Rechtsprechung lässt jedoch Ausnahmen vom Erfordernis der Bezifferung eines Zahlungsantrages zu, wenn die Bestimmung des Betrages von einer gerichtlichen Schätzung oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängig ist. Von besonderer praktischer Bedeutung ist hier der unbezifferte Schmerzensgeldantrag. Hier muss der Kläger in der Klagebegründung die Berechnungs- bzw. Schätzgrundlagen umfassend darlegen und die Größenordnung seiner Vorstellung angeben. Diese kann seiner Streitwertangabe entnommen werden.
Rz. 142
Fehlt es an der Angabe einer solchen Vorstellung und stellt der Kläger die geltend gemachte Forderung damit vollständig in das Ermessen des Gerichts, obsiegt er in vollem Umfange, auch wenn das Gericht ganz erheblich von seiner inneren Vorstellung abweicht. Ihm würde es daher für ein Rechtsmittel an der erforderlichen Beschwer fehlen. Als Anhaltspunkt für die Entwicklung einer Berechnungsgrundlage haben sich für den in der Praxis häufigsten Fall des unbezifferten Antrages auf Schmerzensgeld die gängigen Schmerzensgeldtabellen bewährt.
Rz. 143
Trotz des sich aus § 308 ZPO ergebenden Grundsatzes "ne ultra petita" kann das Gericht die vom Kläger genannte Größenordnung überschreiten, wenn der Kläger für sein Begehren keine Obergrenze angibt. Die Angabe einer Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes stellt noch keine Begrenzung des Klagebegehrens dar. Sie ist mithin nicht bindend. Der Kläger ist daher nicht gehindert, in der zweiten Instanz eine höhere Größenordnung geltend zu machen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Klageerhöhung mit entsprechenden verjährungsrechtlichen Auswirkungen.
Rz. 144
Da der unbezifferte Schmerzensgeldantrag nicht dazu missbraucht werden darf, eigenes Mitverschulden und das damit verbundene Kostenrisiko auf den Beklagten zu überbürden, hat der Kläger auch im Rahmen einer unbezifferten Schmerzensgeldklage ein eventuelles Mitverschulden zu berücksichtigen und Umstände, die auf ein Mitverschulden schließen lassen, dem Gericht mitzuteilen.
Rz. 145
Unterlässt er dies, kommt ihm die Privilegierung des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht zugute. In diesem Falle kann auch eine für ihn nachteilige Kostenentscheidung ergehen, wenn das Gericht sich im Ausspruch der Schmerzensgeldhöhe zwar in dem vom Kläger vorgegebenen Rahmen hält, bei der Schmerzensgeldbemessung aber nicht nur Ermessenserwägungen ausschlaggebend waren, sondern auch das Durchgreifen von Einwendungen des Beklagten.
Rz. 146
Im Arbeitsrecht sind die Anträge auf Abfindung gem. § 9 KSchG und § 113 BetrVG ebenfalls nicht zu beziffern.