Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 16
Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einer mehrstufigen Einzelfallprüfung zu ermitteln. Zunächst ist die Größe der konkret betroffenen Unterkunft zu ermitteln. Bei den Kosten der Unterkunft sind individuelle Besonderheiten – wie z.B. bestehende Behinderungen – im Rahmen der (konkreten) Angemessenheitsprüfung zusätzlich zu berücksichtigen. In einem zweiten Schritt ist der Wohnungsstandard zu berücksichtigen.
Rz. 17
Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ermittelt sich sodann als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt gemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro qm. Es wird die Summe aus Kaltmiete und kalten Betriebskosten gebildet. Zu den kalten Betriebskosten gehören z.B.:
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Müllabfuhr |
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Hausmeister |
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Grundsteuer |
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Reinigungskraft für das Treppenhaus |
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Wasser/Abwasser. |
Der Leistungsberechtigte kann sich innerhalb der beiden Berechnungselemente frei bewegen. Eine Wohnung kann also durchaus kleiner oder größer sein als abstrakt vorgesehen, wenn dafür die Betriebskosten angepasst werden.
Heizkosten und Warmwasserkosten sind gesondert und zusätzlich zu ermitteln.
Rz. 18
Die Ermittlung der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung hat monatsweise nach Fälligkeit zu erfolgen (keine Durchschnittsbildung). Das gilt insbesondere, wenn Betriebs- und Nebenkosten als Jahresbetrag fällig werden. Aufwendungen für Eigentumswohnungen und Eigenheime, die ggf. jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen, sind also im Fälligkeitszeitraum Bedarf. Es ergeben sich also Monat für Monat unterschiedlich hohe Kosten.
Berücksichtigungsfähig sind das Hausgeld und die Grundsteuern.
Die Mietobergrenzen für die Bruttokaltmiete (Kaltmiete einschließlich der kalten Betriebskosten) für Leistungsberechtigte des Jobcenters Essen und des Amtes für Soziales und Wohnen betrugen z.B. Stand 1.9.2020 für eine Person 410 EUR bzw. barrierearm 474 EUR.
Monatlich verbrauchsabhängige Heizkosten wurden Stand 1.1.2020 bis zu 1,40 EUR/qm als angemessen betrachtet, ohne dass eine Prüfung im Einzelfall stattfand.
Der Berechnungsweg lautet also: Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept und unter Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.
Rz. 19
Fallbeispiel 53: Kosten der Unterkunft und Heizung – Rechenbeispiel (Stadt Essen Stand 1.9.2020)
Der Leistungsberechtigte bewohnt eine 79 qm große geerbte/geschenkte Eigentumswohnung.
Das Hausgeld beträgt monatlich 308,75 EUR. 98,35 EUR fallen quartalsweise für Grundsteuern an. Der Abschlag für die Gasheizung beläuft sich in einigen Monaten auf 65 EUR, dann unter Rückerstattung in einem Monat auf nur 35 EUR und in den Folgemonaten auf 70 EUR.
Alternative:
A hat einen Kredit zur Finanzierung eines Umbaus zu bedienen. Tilgungssatz: 10 %, monatliche Rate 463,33 EUR.
Wie wird eine Kalkulation für einen Eigentumserwerb einer angemessenen selbstbewohnten Eigentumswohnung (in Essen) aussehen?
Eine Berechnung könnte dann beispielhaft wie folgt aussehen:
Rz. 20
Falllösung Fallbeispiel 53:
Die Angemessenheitsgrenze für Kosten der Unterkunft (KdU) würde auf jeden Fall unterschritten, wenn kein Darlehen zu finanzieren ist.
Falllösung Fallbeispiel 53 – Alternative:
Berücksichtigungsfähig sind nur die Zinsen des Darlehens für den Umbau der Immobilie, für die eine dingliche Sicherheit bestellt ist, nicht dagegen die Tilgung (diese ist aus den Regelleistungen und ggf. den Absetzbeträge vom Einkommen zu finanzieren oder das Darlehen ist tilgungsfrei zu stellen).
Falls der Leistungsberechtigte auf ein Darlehen Rückzahlungen leisten muss, liegen die Kosten der Unterkunft in der Regel immer noch – auch unter Einbeziehung der grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Zinsen – unter der Angemessenheitsgrenze.
Wenn der Beschenkte oder der durch Erbfall Begünstigte im Rahmen dieser Vorgaben bleibt und seine selbstbewohnte Immobilie auch flächenmäßig Schonvermögen i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist, so kann er von einem Zufluss partizipieren.
Hinweis
Alternativ kommt die Überlassung eines Wohnungsrechtes in Betracht, bei dem genau vereinbart werden muss, wofür der Bedürftige aufkommen muss und wofür nicht.