Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 61
Vom ermittelten Einkommen sind verschiedene Abzugsposten abzuziehen. Die Absetzungsbeträge sind in § 11b SGB II geregelt. Eine allgemeine Härtefallklausel für den Einsatz von Einkommen wie in § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII ist im SGB II nicht vorgesehen.
Der Umfang der Anrechnung eigenen Einkommens ist abhängig von der Art des jeweiligen Einkommens
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Einkommen aus abhängiger Beschäftigung |
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Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit |
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sonstiges Einkommen |
und der Häufigkeit des Zuflusses. Dabei unterscheidet man regelmäßiges, gelegentliches und einmaliges Einkommen wie z.B. einen Pflichtteilsanspruch.
Rz. 62
Die allgemeinen Abzugsposten werden in § 11b SGB II i.V.m. der Arbeitslosengeldverordnung definiert.
Beispiel: tarifvertragliches Sterbegeld
Der Anrechnung des Sterbegeldes steht keine der in § 11a SGB II a.F. normierten Ausnahmen entgegen. Es handelt sich beim Sterbegeld auch nicht um Rentenleistungen nach dem Bundesversorgungs- oder Bundesentschädigungsgesetz noch um Schadensersatzleistungen.
Rz. 63
Nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II sind die mit der Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben in Abzug zu bringen. Dazu gehören auch Nachlassverbindlichkeiten. Über die Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten im Einzelfall besteht jedoch Unklarheit, insbesondere, ob generell Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse und Auflagen sowie die vom Erblasser herrührenden Schulden abzugsfähig sind, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Abgesetzt werden können jedenfalls nur tatsächlich erfolgte Ausgaben. "Ansprüche gegen den Erben, die möglicherweise bestehen, aber nicht geltend gemacht werden, oder Forderungen, die vom Erben tatsächlich nicht beglichen werden, sind hingegen nicht zu berücksichtigen. Die Absetzungsmöglichkeiten nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. sollen sicherstellen, dass nur tatsächlich für den Lebensunterhalt vorhandene Mittel berücksichtigt werden. Hingegen dienen sie nicht dazu, eine Berücksichtigung von Schulden zu ermöglichen."
Rz. 64
Das LSG Hamburg zieht bei einer Erbschaft die Aufwendungen ab, die mit dem Erbe notwendig verbunden sind, wie z.B. Kosten für die Ausstellung des Erbscheins oder Bestattungskosten, nicht aber einen Pflichtteilsanspruch, der bisher weder geltend gemacht wurde und den der Erbe auch gar nicht erfüllen will. Steinmetz, Friedhofsgebühren, Bestattungsunternehmen, Räumung der Wohnung hat das LSG Sachsen-Anhalt als abzugsfähig unbeanstandet gelassen. Bei einem tariflichen Sterbegeld hat das LSG Baden-Württemberg die Bestattungskosten nicht als notwendige Ausgabe angesehen. Das LSG NRW hat bei einer mit dem Tod fällig gewordenen Lebensversicherung zwar Einkommensqualität angenommen, die Beerdigungskosten aber wegen Härte nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II – also einem Vermögenstatbestand – berücksichtigt. Das LSG Niedersachsen-Bremen bejaht die generelle Abzugsfähigkeit der Beerdigungskosten und hat bei einer Immobilie im Nachlass, die veräußert wurde, auch die Maklergebühren sowie die Ausgaben für die Erklärungen vor dem Grundbuchamt in Abzug gebracht. Das LSG Sachsen-Anhalt hat offengelassen, ob Beerdigungskosten als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben von einer zugeflossenen Lebensversicherung abzuziehen waren, obwohl die Kläger die Erbschaft ausgeschlagen hatten und somit nicht zur Kostentragung nach§ 1968 BGB verpflichtet waren. Die Kläger waren den Nachweis der Kostentragung schuldig geblieben. Kosten für die Renovierung der Wohnung der Verstorbenen sah das Gericht nicht als notwendige Voraussetzung für den Zufluss an. Die Kosten für die Verarbeitung der Asche des Erblassers zu einem Rohdiamanten zum Zwecke der häuslichen Verwahrung in einer Schatulle können ebenfalls nicht als Kosten der zugeflossenen Erbschaft abgesetzt werden.
Rz. 65
Fallbeispiel 57: Der geschuldete Grabstein
K bezieht seit Jahren Leistungen nach dem SGB II. Sie wurde im laufenden Leistungsbezug Miterbin zu 1/3 Anteil am Nachlass ihrer Mutter. Ihr Bruder verwaltete den Nachlass zunächst und kehrte dann aus dem Nachlass 700 EUR an seine Schwester K aus, die diesen Betrag auf ihrem Sparbuch deponierte. Sie erklärte dem Jobcenter diesen Betrag für die Anschaffung eines Grabsteins zu benötigen. Zwei Jahre später legte sie eine entsprechende Abrechnung vor.
Das Sozialgericht bestätigte dem Jobcenter, dass es den Zufluss des Erbteils in Höhe von 700 EUR zurecht als Einkommen berücksichtigt und die Leistungsbewilligung aufgehoben hat, denn "eine rein schuldrechtliche Vereinbarung mit den Miterben, auch nach Auseinandersetzung des Erbes den zugeflossenen Betrag in einem bestimmten Sinne zu verwenden, ändert an der Qualifikation des zugeflossenen Betrages als "bereites" Mittel nichts."
Rz. 66
Falllösung Fallbeispiel 57:
Schuldverpflichtungen können regelmäßig nicht vom Einkommen abgezogen werden. Ein Grabstein war zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung weder konkret in Auftrag gegeben noch in Rechnung gestellt worden. Es mangel...