Rz. 160
Zitat
ZPO § 287; BGB §§ 249 Abs. 2 S. 1, 254 Abs. 2 S. 1
Zur Schätzung von Mietwagenkosten auf der Grundlage von Listen und Tabellen, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.
a) Der Fall
Rz. 161
Die Klägerin machte restliche Mietwagenkosten gegen den beklagten Haftpflichtversicherer geltend. Am 29.9.2008 wurde bei einem Verkehrsunfall das Fahrzeug der Klägerin beschädigt und musste repariert werden. Die volle Haftung des Unfallgegners war außer Streit. Die Anmietung des Ersatzfahrzeugs erfolgte am 6.10.2008 für sieben Tage. Die Beklagte zahlte auf die vom Vermieter des Ersatzfahrzeugs in Rechnung gestellten 1.841 EUR vorgerichtlich einen Betrag von 554 EUR. Um den Differenzbetrag stritten die Parteien.
Rz. 162
Das Amtsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 843 EUR zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 764 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Es hat die Revision zugelassen, mit der die Beklagte die Abweisung der Klage erstrebte.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 163
Das angefochtene Urteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.
Rz. 164
Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen nicht auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Demgemäß hat der erkennende Senat vielfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auch auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann. Grundsätzlich ist weder die Schätzung auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 noch des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 als rechtsfehlerhaft zu erachten. Auch eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der sogenannten Fraunhofer-Liste, ist nicht von vornherein grundsätzlich rechtsfehlerhaft. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles von diesen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif – abweichen.
Rz. 165
Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.
Rz. 166
Im Ansatz ging das Berufungsgericht von diesen Grundsätzen bei seiner Schadensschätzung auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 aus. Doch machte die Revision mit Recht geltend, dass die Beklagte konkrete Mängel dieses Mietpreisspiegels aufgezeigt und unter Beweis gestellten umfassenden Sachvortrag dazu gehalten hatte, dass die Klägerin ein vergleichbares Fahrzeug für sieben Tage inklusive sämtlicher Kilometer und Vollkaskoversicherung zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können. Die Beklagte hatte unter Benennung von drei konkreten Mietpreisangeboten dargelegt, dass der angebotene Normaltarif in dem der Klägerin örtlich zugänglichen Bereich zwischen 282 EUR und 312 EUR für sieben Tage liege. Dieser Tarif stimme überein mit dem örtlichen Normaltarif für die entsprechende Fahrzeugklasse nach der sogenannten Fraunhofer-Liste. Er sei nicht nur deutlich niedriger als der von der hier eingeschalteten Mietwagenfirma in Rechnung gestellte Preis von 1.429 EUR netto, sondern auch erheblich günstiger als der Normaltarif von 1.178 EUR nach dem Modus der Schwacke-Mietpreisliste 2007. Es handle sich bei den aufgezeigten Angeboten um den ortsüblichen Normaltarif für Selbstzahler im maßgebenden Anmietungszeitraum und nicht um kurzfristige Sonderangebote oder Schnäppchenpreise. Zum Beweis dafür ha...