Rz. 38
Zitat
BGB §§ 823 Abs. 1, 254 Abs. 1, § 426 Abs. 1; StVG §§ 7 ff., 8 Nr. 2
a) Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Die Last des Schadens ist lediglich im Innenverhältnis nach § 426 Abs. 1 BGB nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen.
b) Ergreift ein Unfallhelfer nach einem Unfall, bei dem das Ausmaß der Gefährdung und der Hilfebedürftigkeit der beteiligten Verkehrsteilnehmer nicht sogleich zutreffend erkannt werden kann, nicht die aus nachträglicher Sicht vernünftigste Maßnahme, folgt hieraus noch nicht ein Mitverschuldensvorwurf.
c) Bei gelegentlichen Hilfeleistungen von sonst an dem Betriebe des Kfz unbeteiligten Personen scheidet ein Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG regelmäßig aus.
a) Der Fall
Rz. 39
Der Kläger verlangte von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 30.12.2002, bei dem er als Unfallhelfer verletzt wurde.
Rz. 40
Der Beklagte zu 3 fuhr mit einem Pkw, dessen Halter die Beklagte zu 4 und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 5 ist, bei einsetzendem Schneefall auf der BAB 4. Er geriet ins Schleudern, kollidierte mit der Leitplanke am rechten Fahrbahnrand und kam auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Er schaltete das Warnblinklicht ein. Der Kläger, der mit seinem Pkw hinter dem Pkw des Beklagten zu 3 gefahren war, hielt vor dem Unfallfahrzeug auf dem Seitenstreifen an. Er schaltete bei seinem Pkw das Warnblinklicht ein und begab sich zum Pkw des Beklagten zu 3 zurück. Nachdem er sich nach dessen Befinden erkundigt hatte, wollte er zur Absicherung der Unfallstelle das Warndreieck aus dem Kofferraum des Fahrzeugs des Beklagten zu 3 entnehmen. Als der Kläger mit dem Rücken zur Fahrtrichtung stand und den Kofferraum öffnen wollte, näherte sich der vom Beklagten zu 1 gelenkte Pkw, dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2 ist, auf dem mittleren von drei Fahrstreifen. Der Pkw des Beklagten zu 1 geriet ebenfalls ins Schleudern und erfasste den Kläger, der dabei schwer verletzt wurde.
Rz. 41
Der Kläger nahm die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden in Anspruch, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen waren. Das LG hat mit Grund- und Teilurteil die Zahlungsanträge des Klägers dem Grunde nach zu 5/6 für gerechtfertigt erklärt. Von dieser Quote hätten alle Beklagten 19/30 als Gesamtschuldner, die Beklagten zu 1 und 2 weitere 10/30 als Gesamtschuldner und die Beklagten zu 3 bis 5 weitere 1/30 als Gesamtschuldner zu tragen. Dem Feststellungsantrag hat es in Höhe der genannten Quoten entsprochen. Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 Berufung eingelegt. Die Beklagten zu 3 bis 5 haben ihre Berufung zurückgenommen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Klageanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei sämtliche Beklagten zu zwei Drittel als Gesamtschuldner und die Beklagten zu 1 und 2 zu einem weiteren Drittel als Gesamtschuldner haften. Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten für künftige Schäden in entsprechender Weise festgestellt. Es hat die Revision für den Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagten zu 1 und 2 erstreben die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage, soweit sie zur Haftung von mehr als einem Drittel verurteilt worden sind.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 42
Die Revision der Beklagten zu 1 und 2 war unbegründet, diejenige des Klägers war begründet.
Das Berufungsgericht hatte die volle Haftung der Beklagten zu 1 und 2 dem Grunde nach mit Recht bejaht.
Rz. 43
Entgegen der Auffassung der Revision war die Haftung der Beklagten zu 1 und 2 nicht deshalb gemindert, weil sich der Kläger die Mithaftung der Beklagten zu 3 bis 5 zurechnen lassen müsste. Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Lediglich im Innenverhältnis ist zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB die Last des Schadens nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen (vgl. Senatsurt. v. 13.12.2005 – VI ZR 68/04, VersR 2006, 369, Rn 12). Anderes gilt zwar, wenn den Geschädigten ein Mitverschuldensvorwurf trifft und die Abwägung nach § 254 BGB oder § 17 StVG dazu führt, dass die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. In einem solchen Fall ist das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB bzw. des § 17 StVG in Einklang zu bringen, indem die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den jeweiligen Schädigern mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Soli...