Rz. 138
Die Ermittlung des Wertes selbstgenutzter Immobilien, vor allem von Ein- und Zweifamilienhäusern, erfolgt im Regelfall nach dem Vergleichswertverfahren. Soweit verwendbare Vergleichswerte bzw. Vergleichsfaktoren nicht zur Verfügung stehen, kommt dies allerdings nicht in Betracht; dann findet i.d.R. das Sachwertverfahren Anwendung. Maßgeblich ist in erster Linie der Preis, den ein potenzieller Erwerber für eine Immobilie, die er selbst nutzen will, zu zahlen bereit wäre. Dieser hängt vor allem davon ab, wie viel er für ein anderes Grundstück in vergleichbarer Lage aufwenden müsste und welche Kosten die Herstellung eines vergleichbaren Gebäudes auf diesem Grundstück verursachen würde. Die Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten stehen hier regelmäßig nicht im Vordergrund.
Rz. 139
Das Sachwertverfahren geht von der Vorstellung aus, dass die Ersatzbeschaffungskosten der zu bewertenden Immobilie für deren Bewertung maßgeblich sind. Sein Anwendungsbereich ist daher immer dann eröffnet, wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr als preisbestimmend angesehen werden können.
Rz. 140
Ausgangspunkt für die Durchführung des Sachwertverfahrens bilden die gewöhnlichen Herstellungskosten (Normalherstellungskosten – NHK 2010). Dabei sind auch die am Wertermittlungsstichtag vorherrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie sie im Falle einer Neuerrichtung des Bewertungsobjekts anfallen würden, zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht nicht die Reproduktion des bestehenden Objekts (unter Zugrundelegung des im Errichtungszeitpunkt gültigen Baustandards etc.), vielmehr sind es die "neuzeitlichen Erstbeschaffungskosten". Auf diese Weise ergibt sich ein vorläufiger Sachwert (§ 36 ImmoWertV), der anschließend insbesondere mit Hilfe von so genannten (objektspezifisch angepassten) Sachwertfaktoren (§ 39 ImmoWertV), die empirisch aus Beobachtungen am Grundstücksmarkt abgeleitet werden, den tatsächlichen Verhältnissen am Grundstücksmarkt im Bewertungszeitpunkt anzupassen ist (§ 35 Abs. 4 ImmoWertV). Außerdem sind auch die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale nach Maßgabe von § 8 Abs. 3 ImmoWertV zu berücksichtigen. Die einzelnen Schritte des Verfahrens stellen sich – grob umrissen – wie folgt dar:
Rz. 141
Zunächst ist der vorläufige Sachwert nach § 35 Abs. 2 ImmoWertV zu ermitteln. Dieser setzt sich zusammen aus
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dem (vorläufigen) Sachwert der baulichen Anlage (i.S.v. § 36 ImmoWertV – Gebäudesachwert) und |
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dem (vorläufigen) Sachwert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen (i.S.v. § 37 ImmoWertV) |
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dem (vorläufigen) Bodenwert (§§ 40 bis 43 ImmoWertV) |
Rz. 142
Der Bodenwert, also der Wert des (gedanklich unbebauten) Grundstücks, wird nach § 40 Abs. 1 ImmoWertV grundsätzlich aus dem Bodenwert vergleichbarer unbebauter Grundstücke nach dem Vergleichswertverfahren (§§ 24 bis 26 ImmoWertV) abgeleitet.
Rz. 143
Der Sachwert der baulichen Anlagen ist auf der Grundlage der "gewöhnlichen" Herstellungskosten (§ 36 Abs. 2 ImmoWertV) zu bestimmen. Basis für deren Ermittlung sind die "gewöhnlichen" bzw. "marktüblichen Herstellungskosten" (Normalherstellungskosten) für den Fall der Neuerrichtung einer nach der Art der baulichen Anlagen, der Ausstattung und der Beschaffenheit (Gebäude) vergleichbaren Immobilie. Anzuwenden sind insoweit die in Anlage 4 zur ImmoWertV ausgewiesenen Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010). Diese bilden das Baukostenniveau für bestimmte Gebäudetypen, Ausstattungsstandards etc. (aber nur) bezogen auf das Jahr 2010 ab. Die Werte sind daher auf den Bewertungszeitpunkt zu indexieren.
Außerdem schreibt § 36 Abs. 1 ImmoWertV die Anwendung eines durch die jeweiligen Gutachterausschüsse festgelegten Regionalfaktors (§ 36 Abs. 3 ImmoWertV) sowie eines Alterswertfaktors (§ 38 ImmoWertV), der in Abhängigkeit von Gebäudealter und Gesamtnutzungsdauer zu bestimmen ist, vor.
Rz. 144
Die Ermittlung des vorläufigen Sachwerts stellt sich – ganz grob – wie folgt dar:
Die gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächen-, Raum- oder sonstiger Bezugseinheit werden mit der Anzahl der entsprechenden Bezugseinheiten der bewertungsgegenständlichen baulichen Anlage multipliziert. So ergeben sich die vorläufigen Herstellungskosten des Gebäudes. Als maßgebliche Bezugseinheit wird vielfach die so genannte reduzierte Brutto-Grundfläche zugrunde gelegt.
Anschließend werden die vorläufigen Herstellungskosten auf die Preisverhältnisse am Bewertungsstichtag indexiert, und zwar anhand von Baupreisindexzahlen. Außerdem erfolgt noch eine Umrechnung der vorläufigen Herstellungskosten auf die örtlichen Marktverhältnisse anhand des Regionalfaktors (§ 36 Abs. 1 und 3 ImmoWertV). Das Ergebnis ist der regionalisierte vorläufige Sachwert am Wertermittlungsstichtag (Neubauwert).
Dieser ist mittels Anwendung eines Alterswertfaktors (§ 36 Abs. 1 und § 38 ImmoWertV) zum vorläufigen Sachwert der baulichen Anlage fort...