Rz. 56

Die Behörde kann bei Kenntnis oder Annahme von Eignungsmängeln eine Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) anordnen. Da dies lediglich eine vorbereitende Maßnahme ist, also noch kein angreifbarer Verwaltungsakt, ist zwar kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne gegeben, aber es ist tunlich, die Behörde von ihrer Anordnung abzubringen, da anderenfalls die Entziehung droht, sollte die MPU nicht vorgelegt werden.

 

Hinweis

Der 52. Verkehrsgerichtstag 2014 hat in seinem Arbeitskreis V "Fahreignung und MPU" allerdings dem Gesetzgeber aufgegeben, die Anordnung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, einer unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Auch werden Obergutachtenstellen für erforderlich erachtet, um komplexe oder strittige Fälle zu klären.[41]

 

Rz. 57

Das "Rechtsmittel" gegen die Anordnung einer MPU ist tatsächlich lediglich eine Stellungnahme, die ihrerseits aber im Entzugsverfahren Wirkung entfalten kann, da die Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme umso mehr in Rede steht, wenn beispielsweise folgendes Schreiben an die Behörde übermittelt wird:[42]

 

Rz. 58

Muster 5.4: Stellungnahme zur Anordnung einer MPU

 

Muster 5.4: Stellungnahme zur Anordnung einer MPU

In pp.

wurde meine Mandantschaft zur "medizinisch-psychologischen" Untersuchung, mithin zu einer Doppel-Begutachtung (medizinisch und psychologisch) aufgefordert.

Diese Untersuchung ist rechtswidrig und unzulässig, da sie unverhältnismäßig ist: Denn es bestehen keine Hinweise für das Vorliegen von körperlichen Mängeln.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die betroffene Mandantschaft bei Anordnung einer Doppelbegutachtung eine Teilbegutachtung nicht anbieten muss. Weigert sie sich also, die unzulässige Doppelbegutachtung zu absolvieren, so kann hieraus eine Weigerung "ohne ausreichenden Grund" nicht hergeleitet werden. Eine solche Weigerung wäre aber die Voraussetzung der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Gleichzeitig erklärt sich meine Mandantschaft zu einer (berechtigten und anlassbezogenen) Teiluntersuchung bereit.

 

Praxistipp

Im Vorfeld kann im Einzelfall sogar eine Verzichtserklärung und Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bei Löschung der Punkte dazu führen, dass keine MPU angeordnet werden muss. Hier bedarf es klarer Berechnung und Prüfung der Punkteeinträge; allerdings kann kaum verhindert werden, dass eine MPU auch unter der Vorschrift des §11 FeV angeordnet wird, sollten die Voraussetzungen hierfür gegeben sein.

Im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gelten gemäß §20 Abs. 1 FeV die Vorschriften über die Ersterteilung. §2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG fordert zum Führen von Kraftfahrzeugen die Geeignetheit des Fahrerlaubnisbewerbers. Das Vorliegen der Fahreignung wird vom Gesetz positiv als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis abverlangt; die Nichtfeststellbarkeit der Fahreignung geht also zu Lasten des Bewerbers.[43]""Dies ist gemäß §2 Abs. 4 S. 1 StVG, §11 Abs. 1 S. 1 FeV dann gegeben, wenn er die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat.""

"Nach §11 Abs. 1 S. 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe der §§11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen.“"[44] Die Maßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln wegen des Alkoholverhaltens des Fahrerlaubnisbewerbers zu treffen sind, richten sich in erster Linie nach der Bestimmung des §13 FeV.

Im Rahmen einer verwaltungsrechtlichen Klage gegen die Nichterteilung muss daher von besonderem Interesse sein, schon die Fragestellung des eingeholten MPU-Gutachtens anzugreifen: Nur bei genauer Kenntnis der Fragestellung kann sich der Betroffene entscheiden, ob er sich – unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Anordnung – der Untersuchung unterziehen will, die mit der Eignungsbegutachtung einhergehen kann. Folgerichtig ist die Fragestellung dem Betroffenen mitzuteilen, um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob sich die Begutachtungsstelle an die Fragestellung der Behörde hält und ob die ihm und dem Gutachter mitgeteilten Fragen identisch sind.[45]

[41] Siehe Empfehlungen des AK V des 52. Verkehrsgerichtstags unter: www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de/images/pdf/empfehlungen_52_vgt.pdf.
[42] Nach Nugel/Schah Sedi, AnwaltFormulare, §53 Rn 259.
[43] Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, §2 StVG Rn 41.
[44] VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7.7.2015 – 10 S 116/15, VD 2015, 243.
[45] Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7.7.2015 – 10 S 116/15, VD 2015, 243.

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