Rz. 16

Gemäß § 1816 Abs. 2 S. 4 BGB besteht eine Ablieferungspflicht für Betreuungsverfügungen. Danach muss eine Person, die im Besitz eines Schriftstücks ist, in dem jemand für den Fall seiner Betreuung Vorschläge oder Wünsche geäußert hat, das Schriftstück unverzüglich an das Betreuungsgericht abliefern, nachdem sie von der Einleitung eines Betreuungsverfahrens Kenntnis erlangt hat.

 

Rz. 17

Hinsichtlich Vorsorgevollmachten besteht nach § 1820 Abs. 1 S. 1 BGB eine Pflicht des unmittelbaren Besitzers der Urkunde, das Betreuungsgericht hiervon zu unterrichten, jedoch ebenfalls erst ab Kenntnis von der Einleitung eines Betreuungsverfahrens. Dabei kann das Betreuungsgericht die Vorlage einer Abschrift der Vorsorgevollmacht verlangen, § 1820 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch der Notar als Verwahrer der Urschrift einer notariell beurkundeten Vorsorgevollmacht ist zur Vorlage verpflichtet.[9]

Mit der Reform zum 1.1.2023 wurde das Wort "Schriftstück" durch "Dokument" ersetzt. Die Unterrichtungspflicht soll sich nunmehr neben den klassischen Schriftstücken in Papierform auch auf elektronische Dokumente erstrecken, in denen die geregelten Inhalte gemäß § 126b BGB verschriftlicht worden sind.[10] Dabei ist unerheblich, ob das Dokument unterzeichnet wurde.[11] Da eine Betreuung vermieden werden soll, erstreckt sich die Unterrichtungspflicht auf alle Unterlagen, die über den Bestand der Vollmacht Auskunft geben können, auch solche, die etwaige Regelungen oder Kündigungen des Grundverhältnisses oder eines möglichen Widerrufs der Vollmacht zum Inhalt haben.[12]

Reine Patientenverfügungen, die keine Wünsche des Betroffenen zur Wahrnehmung einer Betreuung enthalten, sind von der Vorschrift nicht erfasst.

Diese Pflichten nach § 1816 Abs. 2 S. 4 und § 1820 Abs. 1 BGB sollen gewährleisten, dass das Betreuungsgericht von den Vorsorgeverfügungen des Betroffenen Kenntnis erlangt und diesen Geltung verschaffen kann.

 

Rz. 18

Zur Durchsetzung der in §§ 1816 Abs. 2 S. 4, 1820 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Pflichten kann das Gericht nach § 285 FamFG durch Beschluss die Herausgabe der Betreuungsverfügung oder die Vorlage einer Abschrift der Vorsorgevollmacht anordnen. Die Vollstreckung daraus findet nach § 35 FamFG statt, und zwar durch Festsetzung von Zwangsmitteln (Abs. 1) bzw. durch die in §§ 883, 886, 887 ZPO vorgesehenen Maßnahmen (Abs. 4).[13]

 

Rz. 19

Trotz der Ablieferungs- und Vorlagepflichten nach § 1816 Abs. 2 S. 4 und § 1820 Abs. 1 S. 2 BGB besteht keine bundeseinheitliche Möglichkeit, Betreuungsverfügungen beim Betreuungsgericht zu hinterlegen.

Teilweise gab es ab dem Jahr 1992 nach Inkrafttreten des neuen Betreuungsrechts die Möglichkeit der gerichtlichen Verwahrung einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung. In der Praxis hat dies allerdings keine große Relevanz, seit das Zentrale Vorsorgeregister eingeführt wurde. In Bayern bspw. wurde diese Möglichkeit gemäß Art. 34a BayAGGVG[14] ausdrücklich abgeschafft.[15]

[9] BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 1820 Rn 11.
[10] BT-Drucks 19/24445, 245.
[11] BT-Drucks 19/24445, 245.
[12] BT-Drucks 19/24445, 245.
[13] Für die Durchsetzung einer gerichtlichen Anordnung innerhalb eines laufenden Verfahrens ist § 35 FamFG einschlägig. Demgegenüber regeln §§ 86 ff. FamFG die Vollstreckung von Endentscheidungen; a.A. BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 1816 Rn 28 u. § 1820 Rn 14.
[14] Gesetz v. 7.3.2007 (BayGVBl 2007, 212) m.W.v. 1.4.2007.
[15] BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 1820 Rn 15.

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