Rz. 23

Die Amtsermittlungspflicht erstreckt sich auf die Frage, ob Fahreignung vorliegt oder nicht. Steht die Nichteignung fest, so ist die FE zu entziehen (§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 11 Abs. 7 FeV). Eignungszweifel sind dabei grundsätzlich aufzuklären. Hierbei können gem. § 2 Abs. 8 StVG die Vorlage eines Gutachtens (Einzelheiten siehe § 15 Rdn 2 ff.) oder Zeugnisses eines Facharztes oder Amtsarztes, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung oder eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kfz-Verkehr verlangt werden. Einzelheiten hierzu sind in §§ 11 ff. FeV i.V.m. Anlagen 4, 4 a, 5, 6, zur FeV geregelt. Nach Vorliegen eines insofern nicht aussagekräftigen Gutachtens ist ein weiteres Gutachten anzufordern; geschieht dies nicht, so ist die Entziehung der FE rechtswidrig.[26]

 

Rz. 24

Dem Verwaltungsbeamten fehlen regelmäßig die für die Überprüfung eines Gutachtens erforderlichen fachwissenschaftlichen medizinischen, psychiatrischen und psychologischen Kenntnisse. Er darf ein – in seinen Augen falsches – Gutachten also nicht übergehen. Er muss dann unter Umständen weitere Ermittlungen anschließen, etwa den Gutachter zu einer ergänzenden Stellungnahme auffordern oder bei Bedarf ein weiteres Gutachten einholen.[27] Eine kritische Durchleuchtung des Gutachtens bleibt damit aber weiterhin zulässig; sie ist sogar geboten.

 

Rz. 25

Auch das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 86 Abs. 1 VwGO).

 

Rz. 26

Dabei kann vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung einer Verfügung zur Entziehung der FE zur Klärung der Eignung zum Führen von Kfz z.B. auch ein (weiteres) Gutachten angefordert werden.[28]

 

Rz. 27

Auch ein Verwaltungsgericht besitzt in aller Regel nicht die Fachkenntnisse, um aus eigener Sachkunde die Feststellungen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu widerlegen.[29] Auch hier müssen weitere Ermittlungen angestellt werden, z.B. ergänzende Stellungnahme oder Erläuterung durch den Gutachter, Einholung eines weiteren Gutachtens.[30] Auch hier bedeutet dies keine sklavische Umsetzung des Gutachtens. Eine kritische Durchleuchtung des Gutachtens ist nicht nur zulässig, sie ist sogar geboten. Werden z.B. im Gutachten nicht verwertbare Tatsachen aufgegriffen, so ist das Gutachten zu beanstanden.

 

Rz. 28

Im Verfahren zur (Neu-)Erteilung der FE hat das Tatsachengericht im Falle von Zweifeln an der Fahreignung des Bewerbers auch dann die Pflicht, die für entscheidungserheblich gehaltenen Umstände gem. § 86 Abs. 1 VwGO durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären, wenn der Kläger zwar im Verwaltungsverfahren die für erforderlich gehaltene Untersuchung abgelehnt hat, aber im Klageverfahren vorsorglich seine Bereitschaft zu einer solchen Begutachtung erklärt hat.[31]

[26] VG Saarland zfs 1997, 439.
[27] Bode/Winkler, § 8 Rn 49.
[28] VG Stade, Urt. v. 23.7.2003 – 1 A 1865/02, zfs 2003, 574.
[29] BVerwG zfs 1992, 179.
[30] BVerwG zfs 1992, 179; auch Bode/Winkler, § 8 Rn 50 f.
[31] OVG NRW NZV 1998, 478 = VerkMitt. 1999, 22 = zfs 1999, 320 – Ls.

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