Rz. 66

Ob und unter welchen Voraussetzungen einem Freiberufler (vor allem Arzt) für den Fall der Absage eines fest vereinbarten Behandlungs- oder Besprechungstermins gegen seinen Kunden (Patienten) Ansprüche auf das Behandlungshonorar (nach § 615 BGB i.V.m. der jeweiligen Gebührenordnung) zustehen können, ohne dass insbesondere der Arzt die Behandlung nachzuholen hat, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:[31]

Ein Teil der Rechtsprechung[32] hält – mit unterschiedlicher Begründung und in verschiedenen Fallkonstellationen – § 615 BGB grundsätzlich für nicht anwendbar. Die Vereinbarung eines Behandlungstermins diene nur der Sicherung eines zeitlich geordneten Behandlungsablaufs, beinhalte aber grundsätzlich keine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit i.S.d. § 296 BGB,[33] so dass es am Annahmeverzug fehle. Zudem liege im Hinblick auf das (freie) Kündigungsrecht des Patienten nach §§ 621 Nr. 5, 627 BGB das Risiko, die erwartete Vergütung nicht zu verdienen, beim Arzt.[34]
Andere Gerichte[35] bejahen demgegenüber – in unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen und mit unterschiedlicher Begründung – Vergütungsansprüche. Einige Gerichte[36] haben zwar einen Vergütungsanspruch verneint, zumindest aber Schadenersatz wegen pVV gewährt, wenn es sich um einen Termin handelte, der ausdrücklich dem betreffenden Patienten reserviert worden war und nicht mehr zur Behandlung anderer Patienten genutzt werden konnte.
[31] OLG Stuttgart v. 17.4.2007 – 1 U 154/06 – MDR 2007, 1361 = NJW-RR 2007, 1214 = VersR 2007, 951.
[32] LG Hannover v. 11.6.1998 – 19 S 34/97 – NJW 2000, 1799; LG Heilbronn v. 10.10.1991 – 6 S 330/91 – NZS 1993, 424; LG München II v. 8.11.1983 – 2 S 1327/83 – NJW 1984, 671; AG Calw v. 16.11.1993 – 4 C 762/93 – NJW 1994, 3015; AG Dieburg v. 4.2.1998 – 21 C 831/97 – NJW-RR 1998, 1520; AG München v. 13.8.1990 – 1141 C 19971/90 – NJW 1990, 2939; AG Rastatt v. 12.1.1995 – 1 C 391/94 – NJW-RR 1996, 817; VG Kassel v. 31.8.2004 – 7 J 2038/02 – BeckRS 2004, 30750 (Hat der Sachverständige zur Vorbereitung eines Gutachtens einen Termin zur Untersuchung des Probanden mit einer radiologischen Praxis vereinbart und wird dieser Termin infolge Verschuldens des Probanden nicht wahrgenommen, kann der dem Radiologen dadurch entstandenen Ausfall nicht nach § 8 I Nr. 1 ZSEG entschädigt werden. Denn ein Vergütungsanspruch des Radiologen gegen den Sachverständigen nach § 615 BGB besteht nicht, wenn der Sachverständige den Termin vor dessen Beginn abgesagt hat, und ein Schadenersatzanspruch entfällt, weil den Sachverständigen am Ausfall des Termins kein Verschulden trifft.).
[33] LG München II v. 8.11.1983 – 2 S 1327/83 – NJW 1984, 671.
[34] LG München II v. 8.11.1983 – 2 S 1327/83 – NJW 1984, 671; AG Calw v. 16.11.1993 – 4 C 762/93 – NJW 1994, 3015.
[35] LG Düsseldorf v. 19.3.2004 – 22 S 117/03 –; LG Konstanz v. 27.5.1994 – 1 S 237/93 – NJW 1994, 3015 = VersR 1995, 344; AG Bad Homburg v. 15 6.1994 – 2 C 3838/93 – MDR 1994, 888; AG Bremen v. 2.6.1995 – 24 C 72/1995 – NJW-RR 1996, 819; AG Fulda v. 16.5.2002 – 34 C 120/02 – ArztuR 2003, 167 (Zahnarztpraxis hatte in ihrem Behandlungsvertrag festgelegt, dass vereinbarte Termine spätestens 24 Stunden vorher abzusagen seien, andernfalls eine Vergütung berechnet werde); AG Ludwigsburg v. 23.9.2003 – 8 C 2330/03 – NJW-RR 2003, 1695 (krankengymnastische Behandlung); AG Meldorf v. 18.11.2002 – 83 C 1404/02 – NJW-RR 2003 1029 (bestätigt durch LG Itzehoe v. 6.5.2003 – 1 S 264/02 – juris) (Ein 7 Monate im Voraus festgelegter Operationstermin war lt. Vereinbarung mit der Patientin spätestens 14 Tage vorher abzusagen); AG Osnabrück v. 13.5.1987 – 44–7 C 322/87 K – NJW 1987, 2935 (Krankengymnast).
[36] LG Hannover v. 11.6.1998 – 19 S 34/97 – NJW 2000, 1799 (Zahnbehandlung nach einem umfangreichen Heil- und Kostenplan); AG Tettnang v. 22.5.1999 – 7 C 719/98 – NJW 2000, 1800 (kieferorthopädische Behandlung).

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